Die Firma Broadwood

John Broadwood & Sons, London 1817, Nationalmuseum Budapest
(aus dem Besitz von Ludwig van Beethoven)

Beethoven besaß im Laufe seines Lebens mindestens vier Flügel (wahrscheinlich noch bedeutend mehr). Diesen bekam er 1818 aus London übersandt, nachdem ihn im Jahr zuvor Thomas Broadwood, einer der Inhaber der Firma John Broadwood & Sons und großer Beethoven-Verehrer, in Wien besucht hatte. Nach Beethovens Tod gelangte das Instrument in den Besitz von Franz Liszt.

Échantillon musical:
Ausschnitt aus Ludwig van Beethoven: Sonate Nr. 27, op. 90
gespielt von Malcolm Binns
Instrument: Broadwood 1819, Sammlung Broadwood

Échantillon musical:
Ausschnitt aus Frederic Chopin, Barcarole Fis-Dur, op.60
gespielt von Malcolm Binns
Instrument: Broadwood 1847


“Emma as soon as she entered the room had been struck by the sight of a pianoforté [!] – a very elegant looking instrument – not a grand, but a large-sized square pianoforté; and the substance of the story … was, that this pianoforté had arrived from Broadwood’s the day before … At last Jane began, and though the first bars were feebly given, the powers of the instrument were gradually done full justice to … Emma joined her in her praise; and the pianoforté, with every proper discrimination was pronounced to be altogether of the highest promise … the softness of the upper notes I am sure is exactly what he and all party would particularly prize. I dare say … that he either gave his friend very minute directions, or wrote to Broadwood himself.’” (Jane Austen, Emma)

Die Romane von Jane Austen und anderen Autoren des viktorianischen England enthalten eine Fülle derartiger Passagen, die das Klavier (hier wie damals häufig ein Tafelklavier, engl. „square“) als bürgerliches Statussymbol thematisieren.
Zudem bildete das Klavier im englischen „drawing room“ einen Mittelpunkt der „Gesellschaft“, die sich geradezu als Ritual darum versammelte, um zu musizieren bzw. den Protagonisten zu lauschen – denn häusliches Klavierspiel war nunmehr Frauensache und Nachweis von Kultiviertheit und Bildung, die man in den tonangebenden Kreisen den Töchtern zugutekommen lassen wollte.


Animation der Mechanik eines Broadwood-Flügel:

 
 


Film en allemand zur Mechanik eines Broadwood-Flügels:

Anders im Konzertsaal: Das 19. Jahrhundert erlebte eine einzigartige Blüte (meist männlichen) Klaviervirtuosentums. Heller, Schobert, Steibelt, Clementi, Dussek, Field, Mendelssohn, Chopin, Moscheles, Thalberg, aber vor allem Franz Liszt schufen bei zahllosen Auftritten in ganz Europa und später auch Amerika das Idealbild des gefeierten, umschwärmten und bewunderten „Tastenmagiers.“ Doch nicht nur das Publikum riss sich förmlich um die Virtuosen, auch die großen Klavierbauer versuchten mit nahezu allen Mitteln, sie möglichst exklusiv mit Instrumenten auszustatten – bessere Werbeträger ihrer Produkte konnte es schließlich kaum geben. Um die Jahrhundertmitte waren viele Pianisten bereits bei Klavierfirmen unter Vertrag, und die wenigen Ausnahmen heftig umworben. So standen Chopin während seines Aufenthalts in London 1848 drei Flügel in seiner Wohnung zur Verfügung, je einer von Erard, Pleyel (deren Londoner Filialen) und Broadwood.

Eine besondere Würdigung stellte der Flügel dar, den Thomas Broadwood 1817 an Ludwig van Beethoven sandte (später im Besitz von Franz Liszt, heute im Nationalmuseum Budapest); die lange Reise von London nach Triest per Schiff und anschließend auf dem Landweg nach Wien bekam dem Instrument allerdings nicht sehr gut, so dass das Instrument erst aufwendig repariert werden mußte. Doch in Wien wurde das Instrument bestaunt und diskutiert und löste eine erste Auseinandersetzung mit den so unterschiedlichen Eigenschaften der englischen Flügel aus. Ob Beethoven einige seiner Klavierwerke speziell für einen englischen Flügel wie „seinen“ Broadwood komponierte, ist bis heute umstritten, da dessen Tonumfang nicht zu demjenigen passt, den Beethoven in seinen Kompositionen jener Zeit verlangt.

Besonderheiten der englischen Flügel des 19. Jahrhunderts waren zum einen die kantig erscheinende äußere Form mit einfach gebogener Wand und hohen rechteckigen Klaviaturwangen, zum anderen die Besonderheit des „gespaltenen“ rechten Pedals. Die Dämpferhebung war getrennt in Diskant und Bass und konnte mit jeweils „halbem Pedal“ differenziert oder mit beiden zusammen komplett gehoben werden. Diese Eigentümlichkeit findet sich nur bei englischen Flügeln; es lässt sich heute nur schwer nachvollziehen, in welchem Ausmaß diese an und für sich sehr sinnvolle technische Einrichtung von Komponisten auch als Ausdrucksmittel genutzt wurde.

 
 
 

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