Kultur- und Wirkungsgeschichte der besaiteten Tasteninstrumente

15. und 16. Jahrhundert
17. Jahrhundert
18. Jahrhundert
19. Jahrhundert

Die Renaissance: Cembalo und Clavichord bekommen Gestalt und Bedeutung

Antwerpen

Der flämische Cembaobau konzentriert sich besonders in der Hafenstadt Antwerpen (und dort bei der Familie Ruckers). Hier entstehen im Verlauf des 16. Jahrhunderts eigene Cembalotypen. Im Gegensatz zur italienischen Tradition konzentrieren sich die flämischen Werkstätten zunächst auf den Bau von Virginalen von stabiler Bauweise, die rasch und in großer Zahl in andere europäische Länder exportiert werden. Ihr Klang ist vergleichsweise voll, die Instrumente widerstandsfähig und zugleich äußerlich dekorativ und daher hochgeschätzt.

Ein Ruckers-Virginal auf einem Gemälde von Vermeer "Die Musikstunde", ca 1662-65, Royal Collection, St. James' Palace, London 
Ein Ruckers-Virginal auf einem Gemälde von Vermeer
"Die Musikstunde", ca 1662-65, Royal Collection,
St. James' Palace, London
 

Augsburg - Nürnberg - Innsbruck

Augsburg und Innsbruck stehen stellvertretend für die vielen kulturellen Zentren des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation, in denen die erste große Blüte des Klavierliteratur ihren Anfang nimmt. Die bedeutendsten frühen Handschriften der Klaviermusik stammen aus dem deutschen Sprachraum, die größten Virtuosen der Epoche wie Conrad Paumann oder später Paul Hofhaimer ebenso. Paumann stammte aus Nürnberg und ging später nach München, wo er auch begraben liegt. Hofhaimer war kaiserlicher Hoforganist und wirkte in Augsburg, Innsbruck und anderen Orten. Die von ihm entworfenen Orgeln in Augsburg, St. Anna (zerstört 1944) und Innsbruck, Hofkirche (erhalten) zeugen noch heute von seiner Bedeutung. Um diese Zeit ist das Repertoire für Tasteninstrumente noch praktisch identisch, es gibt also kaum einen Unterschied zwischen Musik für Orgel und solcher für Saitenklavier.

Paul Hofhaimer an der Orgel, Holzschnitt von Hans Burgkmair aus dem "Triumphzug Kaiser Maximilians"  
Paul Hofhaimer an der Orgel, Holzschnitt von Hans Burgkmair aus dem "Triumphzug Kaiser Maximilians"
 

Basel

In Basel erscheint 1511 der erste Traktat, der sich, verfaßt in einer Volkssprache, mit Musikinstrumenten beschäftigt, die Musica getutscht („verdeutscht“, hier ins Basler Alemannisch) des Sebastian Virdung, ergänzt mit Holzschnitten von Urs Graf. Das Interesse an Musikinstrumenten ist in dieser Zeit offenbar allgemein so groß geworden, dass von nun an nicht mehr in der Gelehrtensprache Latein darüber geschrieben wird.

Sebastian Virdung: Musica getuscht, Basel 1511, fol. B   
Sebastian Virdung: Musica getuscht, Basel 1511, fol. B
 

Dijon

Um 1440:
Der Musiktheoretiker Henri Arnaut von Zwolle verfaßt um 1440 seinen Traktat De mensura fistularum (“Vom Maßverhältnis der Orgelpfeifen”), die erste Abhandlung, die sich ausführlich mit der Konstruktion von Musikinstrumenten auseinandersetzt. Im Mittelpunkt steht zwar die Orgel, doch behandelt Arnaut auch eine Vielzahl von anderen Instrumenten seiner Zeit, wie Clavichord, Cembalo, „Dulce melos“ (ein Tasteninstrument mit Hämmern, von dem sonst nichts überliefert ist, zweieinhalb Jahrhunderte vor Cristofori!) und Laute. Er demonstriert erstmalig die geometrischen Konstruktionsprinzipien, die – abgewandelt – bis in die Gegenwart bei Entwurf und Konstruktion von Musikinstrumenten Anwendung finden.

Traktat De mensura fistularum (“Vom Maßverhältnis der Orgelpfeifen”)   
Traktat De mensura fistularum (“Vom Maßverhältnis der Orgelpfeifen”)
 

Florenz-Mailand-Rom-Venedig

In Italien erreicht der Bau von Cembali einen ersten Höhepunkt und eine „Schule“ entsteht, die einen Cembalotyp mit charakteristischen Eigenheiten und Eigenschaften hervorbringt. Die italienischen Cembali, dünnwandig und schnell ansprechend, doch etwas „spröde“ im Klang, geben die ersten Vorbilder; Instrumentenmacher anderer Nationen folgen ihnen oder entwickeln im Gegensatz dazu eigene Modelle.

Paolo Ucello: Die Schlacht von San Romano, um 1456, Florenz, Uffizien 
Paolo Ucello: Die Schlacht von San Romano, um 1456, Florenz, Uffizien
 

London

In England blüht die Musik unter der Herrschaft der Tudors auf. Ihre repräsentative Hofhaltung wird bald von den vermögenden Familien der Nobility und Gentry nachgeahmt. Für Musiker ergeben sich eine Fülle an Verdienstmöglichkeiten. Über das Land verteilt entstehen kleinere musikalische Zentren in Städten, Herrensitzen und an Kathedralen. Die Klaviermusik erblüht, und Komponisten wie John Bull, William Byrd und andere schaffen Werke für „Virginals“ (im engen Sinne das bereits weitverbreitete Virginal flämischen Typs, doch offensichtlich genauso ein Oberbegriff für alle Arten von Tasteninstrumenten einschließlich der Orgel), die einen Höhepunkt der Klaviermusik der ausgehenden Renaissance markieren und im 17. Jahrhundert die Klavierkomposition auch in anderen Ländern Nordeuropas beeinflussen werden.

Hans Holbein, Henry VIII, 1540, Galleria Nazionale d'Arte Antica, Rom 
Hans Holbein, Henry VIII, 1540, Galleria Nazionale d'Arte Antica, Rom
 

Pisa

Leonardo da Vinci, Maler, Festungsbauer, Architekt ... entwirft um die Wende zum 16. Jahrhundert neben vielen anderen Plänen auch Konstruktionen für Musikinstrumente, wie eine „Viola organizzata“ (ein Streichklaviermechanismus), eine Trompete mit Klaviatur oder ein automatisierter Schlagapparat für eine Trommel. Anders als seine Entwürfe diverser Fahr- und Fluggeräte, die im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts – mehr oder minder nahe an seinen Ideen – tatsächlich und funktionstüchtig realisiert worden sind, harren einige seiner musikalisch-technischen Ideen noch der Umsetzung.

Hs. H, fol. 45' (Paris); repr. nach Emanuel Wintemitz, Leonard und die Musik, in: Ladislao Reti (Hrsg.): Leonardo, Köln 1996, S. 120. 
Hs. H, fol. 45' (Paris); repr. nach Emanuel Wintemitz, Leonard und die Musik, in: Ladislao Reti (Hrsg.): Leonardo, Köln 1996, S. 120.
 

Wittenberg

Bei dem Verleger Luthers, Georg Rhaw in Wittenberg, erscheint 1529 die Musica instrumentalis deudsch des Magdeburger Kantors Martin Agricola. In vielem aufbauend auf Virdungs zuvor in Basel erschienener Publikation (die Holzschnitte Grafs wurden z. B. kopiert), geht Agricola doch in manchen Punkten darüber hinaus und gibt Zeugnis von der lebhaften Entwicklung, die die Instrumentalmusik in dieser Epoche erfährt. Es ist die erste Schrift dieser Art, die ausdrücklich für den Gebrauch an Schulen bestimmt ist.

Lucas Cranach, Martin Luther, 1543, Galleria degli Uffizi, Florenz 
Lucas Cranach, Martin Luther, 1543, Galleria degli Uffizi, Florenz
 

Wolfenbüttel

Im Jahr 1619 erscheint der zweite Band des Syntagma Musicum („Musikalischer Versammlungsplatz“) mit dem Untertitel De Organographia („Beschreibung der Orgeln [einbegriffen andere Musikinstrumente]“ von Michael Praetorius, trotz des lateinischen Titels in deutscher Sprache. Praetorius beschreibt hierin das Instrumentarium seiner Zeit mit einem besonderen Akzent gerade auf den diversen Neuschöpfungen der ausgehenden 16. Jahrhunderts. Er tut dies in einer Ausführlichkeit, die dieses Buch heute noch zu einer Fundgrube für Informationen macht, für die es kaum Vergleichbares gibt.

(Die musikalische Nachwelt bedauert nur eines: Er wußte wahrscheinlich noch, wo und unter welchen Umständen die Violine entstand. Doch er schrieb dazu nur „Und demnach dieselbige jedermänniglichen bekandt, ist darvon ... etwas mehr anzudeuten und zu schreiben unnötig.“ Hätte er doch nur „angedeutet“ - was damals jeder wußte, weiß heute niemand mehr).

 Michael Praetorius: Syntagma Musicum II. De Organographia, Wolfenbüttel 1619 

Michael Praetorius: Syntagma Musicum II. De Organographia, Wolfenbüttel 1619
 
 

Aufblühen des Barockstils: Das Cembalo - ein Grundtyp und seine Varianten

Amsterdam

1648 werden die protestantischen Nordprovinzen der Niederlande unabhängig, die katholischen Südprovinzen verbleiben jedoch unter der Herrschaft der (spanischen) Habsburger (das heutige Belgien). Das von der Dynastie Oranien-Nassau regierte Königreich der Niederlande wird durch den regen und ertragreichen Überseehandel mit Asien und Amerika bald zu einem der reichsten Staaten Europas und die niederländischen Städte, vor allem Amsterdam, überflügeln bald ihre ehemals reicheren südlichen Nachbarn in den südlichen Provinzen wie Antwerpen, Brüssel oder Brügge. Dies führt zu einer Blüte der Kunst und Kultur – von der Malerei bis zum Gartenbau – doch die Musik führt eher ein Schattendasein.

Eine bedeutende Ausnahme bildet Jan Pieterszoon Sweelinck, Organist der Oude Kerk zu Amsterdam, einer der bedeutendsten Klavierkomponisten des ausgehenden 16. Jahrhunderts; doch neben seinen Kompositionen liegt sein Hauptverdienst in seinem Wirken als (offenbar hochbezahlter) Lehrer der bedeutendsten niederländischen und vor allem deutschen Klavierkomponisten des 17. Jahrhunderts.


Jan van der Heyden, Der Dom und Neue Stadthalle in Amsterdam (1688), Louvre, Paris 
Jan van der Heyden, Der Dom und Neue Stadthalle in Amsterdam (1688), Louvre, Paris
 

Antwerpen

Die südlichen spanischen Niederlande bleiben ein politischer Unruheherd in Europa. Der Unabhängigkeitskampf gegen die spanische Krone wird – in wechselnden Koalitionen – von Frankreich, England oder dem unabhängigen Norden unterstützt, um sich gegenseitig zu schwächen und diese ehedem reiche Provinz des Habsburgerreiches unter ihre jeweils eigene Kontrolle zu bekommen.

Die reiche Musikkultur dieser Region, die noch im vorhergehenden Jahrhundert ganz Europa maßgeblich befruchtet, leidet massiv unter den immerwährenden Unruhen, Aufständen und Militärexpeditionen. In Antwerpen besteht die Werkstätte der Ruckers (und Couchet) noch im 17. Jahrhundert weiter, und die Familie Dulcken führt deren Tradition noch bis ins 18. Jahrhundert fort, doch insgesamt befindet sich Antwerpen in einem stetigen wirtschaftlichen Niedergang.


Diego Velázquez, Übergabe von Breda (1634-1635), Prado, Madrid 
Diego Velázquez, Übergabe von Breda (1634-1635), Prado, Madrid
 

Florenz

Die Klein- und Stadtstaaten Norditaliens mit ihren regierenden Fürstenhäusern wie den Medici, Este, Sforza oder Gonzaga sind klein, aber oft durch Handel sehr reich. Die Konkurrenz zwischen ihnen (sowie mit den benachbarten Republiken Venedig und Genua und dem Kirchenstaat) und die Versuche von außen, sie unter französische, deutsche (nominell gehörten sie teilweise dem Hl. Römischen Reich an) oder spanische Kontrolle zu bekommen, prägen ihre Geschichte und Kultur über Jahrhunderte.
Doch im 17. Jahrhundert setzt langsam ihr Niedergang ein. Der Mittelmeerhandel, der Staaten wie Venedig reich gemacht hatte, verliert immer mehr an Bedeutung – das Osmanische Reich beherrscht den Süden und Osten der Mittelmeerküsten, die Expeditionen der Portugiesen und Spanier nach „Indien“ (daher die Benennung der karibischen Inseln als „Westindien“) und Ostasien verlagern den europäischen (Amerika- und) Orienthandel auf den Seeweg über den Atlantik, von dem die Flotten der Italiener praktisch abgeschnitten sind. Und auch die alten transalpinen Handelsbeziehungen verlieren an Bedeutung, da in Nordeuropa jahrzehntelang ein furchtbarer Krieg wütet.

Doch die Musik blüht: Oper und Oratorium, Kirchenmusik und höfisches Musikleben bilden Vorbilder für ganz Europa; ein Aufenthalt oder gar eine Ausbildung in Italien ist für viele aufstrebenden jungen Komponisten aus dem Norden die letzte Verfeinerung ihrer Fähigkeiten. Italien erwirbt sich in diesem Zeitraum seinen Ruhm als das Land der Musik schlechthin in Europa.


Giorgio Vasari, Lorenzo di Medici (1512-1574), Uffizien, Florenz 
Giorgio Vasari, Lorenzo di Medici (1512-1574), Uffizien, Florenz
 

London

Das 17. Jahrhundert ist nicht nur auf dem europäischen Festland, sondern auch auf den britischen Inseln eine unruhige und kriegerische Zeit. Zwar hat England seine großen Religionskonflikte schon unter den Tudors Henry VIII, Mary und Elizabeth in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts intern ausgefochten (im Detail nicht weniger grausam als in anderen Ländern), doch mit der Absetzung (und Enthauptung 1649) von Charles I beginnt eine Ära grausamsten Bürgerkriegs in England und Irland. Die an Cromwells Sieg anschließende Zeit des „Commonwealth“ und der Vorherrschaft puritanisch geprägter Glaubensauffassungen ist eine äußerlich sehr musikfeindliche Epoche: Kirchenmusik ist mehr oder weniger unerwünscht und ein öffentliches Musikleben findet praktisch nicht statt. Musizieren wird zu einem privaten (und nahezu im Geheimen ausgeübten) Vergnügen an der Grenze des Lasterhaften. In dieser Situation bleibt das häusliche Spielen auf einem Tasteninstrument eine der wenigen Möglichkeiten, sich an Musik zu erfreuen.
Dies ändert sich erst wieder mit der Thronbesteigung Charles’ II 1661; obwohl nach dessen Tod immer wieder Erbfolgekonflikte ausbrechen, hat sich unter seiner Regierung das kulturelle Leben stabilisiert. Doch das spätere Urteil über England als ein „Land ohne Musik“ hat – trotz einiger Ausnahmeerscheinungen wie Henry Purcell – seine Wurzeln in den Ereignissen des 17. Jahrhunderts.


Robert Walker, Portrait von Oliver Cromwell, London National Portrait Gallery 
Robert Walker, Portrait von Oliver Cromwell, London National Portrait Gallery
 

Nürnberg

Wie der Großteil der deutschen Länder und Städte wird auch Nürnberg von dreißigjährigen Krieg schwer heimgesucht. Von der Entvölkerung - zwischen 1618 und 1648 kommen in manchen Gegenden mehr als ein Drittel der Bewohner ums Leben – erholt sich Mitteleuropa nur sehr langsam. Und gerade die alten Handelsmetropolen wie Nürnberg und Augsburg erlangen danach nie mehr die alte Bedeutung.

Dennoch spielt Nürnberg im 17. und 18. Jahrhundert im Kulturleben noch einmal eine bedeutende Rolle. Komponisten wie Pachelbel oder dessen Schüler Leffloth bezeugen das hohe Niveau der dort beheimateten Tastenkunst. Und eine wichtige Komponente aller Klaviere kommt jahrhundertlang aus Nürnberg: die Saiten. Die Kunst des Metalldrahtziehens wird in Nürnberg wesentlich verbessert (Erfindung der mechanischen Ziehbank um die Wende zum 16. Jahrhundert) und ist grundlegend für die Verwendung von Saiten aus Messing und anderen Metallen in Klavieren.


Nürnberger Drahtzieher 
Nürnberger Drahtzieher
 

Paris

Frankreich geht aus dem dreißigjährigen Krieg deutlich gestärkt hervor. Die absolute französische Monarchie unter dem „Sonnenkönig“ Louis XIV gilt in vieler Hinsicht als das Vorbild für ganz Europa auch auf vielen kulturellen Gebieten: So wie sich danach viele kleine europäischen Fürsten ihr persönliches „Klein-Versailles“ erbauen lassen, eifern sie in allen Bereichen repräsentativer Hofhaltung dem französischen Hof nach. So entstehen bald in vielen Residenzen Europas Hoforchester nach dem Muster von Lully in Paris.

Auch auf dem Gebiet der Musik für Tasteninstrumente setzt Paris ästhetische Maßstäbe. Das Vorbild der Cembalosuiten der Familie Couperin wirkt weit bis ins nachfolgende Jahrhundert. Von der Mitte des 17. Jahrhunderts an „herrschen“ in der Musik zwei Stile, der italienische und der französische; und auf dem Gebiet der Musik für Tasteninstrumente überall (außer in Italien) nur noch einer. Und so komponieren Purcell, Händel, Bach usw. in der Regel nach französischen Stilvorgaben für Cembalo.


Hyacinthe Rigaud, Ludwig XIV (1701), Louvre, Paris 
Hyacinthe Rigaud, Ludwig XIV (1701), Louvre, Paris
 

Wien

Die Hauptstadt des mächtigen Habsburgerreiches, in dem (vor der Trennung des Hauses Habsburg in eine spanische und eine österreichische Linie) „die Sonne nicht untergeht“, wird selbst über Jahrhunderte von den osmanischen Türken bedroht, deren Eroberungszüge in Südosteuropa mehrere Male erst vor den Toren Wiens ein Ende finden (zuletzt 1683). Wien wird im 17. Jahrhundert ein kultureller Mittelpunkt für den katholisch gebliebenen Teil Europas.
Die Bedeutung Wiens als Heimat bedeutender Klavierkomponisten beginnt nicht erst mit der „Wiener Klassik.“ Im 17. Jahrhundert lebt und wirkt hier einer der bedeutendsten Klavierkomponisten, Johann Jacob Froberger, der die Traditionslinien der italienischen (Frescobaldi) und deutschen (Sweelinck und dessen Schüler) Klavierkomposition zusammenführt und an seine Nachfolger in Wien (Poglietti, Kerll u.a.) weitergibt.


Frans Geffels, Die Entsatzschlacht um Wien am 12. September 1683, Historisches Museum der Stadt Wien 
Frans Geffels, Die Entsatzschlacht um Wien am 12. September 1683, Historisches Museum der Stadt Wien
 
 

Die Vielfalt der Stile: Das Pianoforte entsteht

Augsburg

Nach dem Dreißigjährigen Krieg wird in der Reichsstadt Augsburg die „Parität“ zwischen Katholiken und Protestanten festgeschrieben: jedes öffentliche Amt ist doppelt mit je einem Vertreter der Konfessionen besetzt, von den Bürgermeistern bis hin zu den Amtsschreibern. Die Niederlassung eines Handwerkers in der Stadt ist ein dementsprechend aufwendiges Verwaltungsverfahren, mit Beratungen, Stellungnahmen und Gutachten von beiden Seiten, doch andererseits bietet sich hier durch das enge Zusammenleben der Bekenntnisse die Möglichkeit der Begegnung und des Austausches zwischen den beiden ansonsten auch territorial streng voneinander getrennten Konfessionen.

Johann Andreas Stein ist nach seiner Übersiedlung nach Augsburg um 1750 bald eine der Attraktionen der Stadt. Kaum ein Musiker von Rang versäumt es ihn aufzusuchen, wenn er durch die Reichsstadt Augsburg kommt. Mozart besucht ihn 1777, Beethoven zehn Jahre später. Die zahlreichen Schüler Steins verpflanzen den Klavierbau auch in andere Städte Süddeutschlands. Steins Tochter Nanette verlagert nach dem Tod des Vaters den Betrieb in die aufblühende Klavierbaumetropole Wien.

Johann Andreas Stein  
Johann Andreas Stein
 

Basel

Ein bürgerlich-patrizischer Wohnraum des späten 18. Jahrhunderts ist auf diesem Familienbildnis des Malers Johann Jacob Burckhardt von 1775 aus Basel abgebildet. Besonders bemerkenswert ist hier die Situation am rechten Bildrand: Musik ist eine Aktivität der heranwachsenden Kinder. Die Tochter spielt Klavier (hier ein typisches Querspinett der Zeit), der Sohn stimmt seine Violine. Die Szene ist eine Metapher für das „Zusammenstimmen“ mit zukünftigen Ehepartnern, die Musikausübung eine der gesellschaftlich gestatteten Gelegenheiten, bei der sich zukünftige Ehepartner „besserer Stände“ kennenlernen konnten, und auf die die Kinder durch Unterricht vorbereitet werden sollten.

Joseph Johann Kauffmann, Familienbildnis Peter Burckhardt-Forcart (1775), Basel Historisches Museum 
Joseph Johann Kauffmann, Familienbildnis Peter Burckhardt-Forcart (1775), Basel Historisches Museum
 

Berlin - Hamburg

Der Cembalobau in Deutschland vor 1700 hat nur wenige Zeugnisse hinterlassen, vermutlich eine Folge des Dreißigjährigen Krieges. Der Bau von Clavichorden und Cembali ist im deutschsprachigen Raum traditionell ein Nebenerwerb der Orgelbauer, vermehrt ausgeübt zu Zeiten, in denen sie mit Orgelbauten oder –reparaturen nicht ausgelastet sind. Nur in wenigen besonders prosperierenden Städten können sich nach 1700 Betriebe etablieren, die auf die Herstellung von Cembali spezialisiert sind, wie in der nach dem Dreißigjährigen Krieg rasch wachsenden Hauptstadt Preussens, Berlin, oder der Hansestadt Hamburg dank der Nähe insbesondere zu Skandinavien. Die Cembali der Familie Haas/Hass, der Fleischer und von Christian Zell heben sich durch ihre eigenwillige Bauart, Dekoration und Disposition von den übrigen deutschen Instrumenten der Zeit deutlich ab und verraten die Bestimmung für eine wohlhabende Kundschaft.
In Berlin zieht die Musikliebe einiger Hohenzollern (vor allem Friedrich II und seine Schwester Prinzessin Anna Amalie von Preußen) die bedeutendesten Vertreter jener Komponisten an, in deren Schaffen sich der Stilwandel in der Mitte des 18. Jahrhunderts vollzieht, die Brüder Graun, die Benda, Carl Philipp Emanuel Bach als Hofcembalist oder den Flötisten Johann Joachim Quantz, den Lehrer Friedrichs. Entsprechend floriert auch der Instrumentenbau und bringt Spitzenleistungen hervor, ob nun in Gestalt der Querflöten von Kirst oder der Cembali von Mietke, die in den Berliner und Potsdamer Schlössern nicht weniger zahlreich vorzufinden waren als die Hammerklaviere Silbermanns.

Adolf Menzel, 1849, Das Flötenkonzert Friedrichs II., Berlin Nationalgalerie 
Adolf Menzel, 1849, Das Flötenkonzert Friedrichs II., Berlin Nationalgalerie
 

Dresden

Dresden wird unter August dem Starken, Kurfürst von Sachsen und König von Polen zu einer der schönsten Städte Europas. Die berühmten barocken Prachtbauten besitzen ihre Entsprechung in der Qualität des Dresdener Hoforchesters, damals das vielleicht beste Orchester Europas. Doch Sachsens Blüte ist nicht von langer Dauer. Der Siebenjährige Krieg ruiniert das Land; doch noch der Niedergang Sachsens hat weitreichende kulturelle Konsequenzen.

Der in dieser Blütezeit wirkende Gottfried Silbermann ist nicht nur einer der bedeutendsten Orgelbauer des 18. Jahrhunderts (Hauptwerke: Dresden Frauenkirche 1732-36, leider beim Wiederaufbau nicht rekonstruiert und Hofkirche 1750-54, posthum vollendet; Mozart über diese: „Es sind über die Maßen herrliche Instrumente“), sondern auch mit seinen Nachbauten des Pianofortes von Cristofori eine der Schlüsselfiguren für die Verbreitung und allmähliche Durchsetzung des Hammerklaviers. Seine Klaviere werden vor allem in Berlin sehr geschätzt, denn er liefert deren etwa 15 an Friedrich II, der in jedem seiner Schlösser in Berlin und Potsdam mindestens einen Silbermann-Flügel aufstellen lässt (die meisten im 2. Weltkrieg zerstört). Doch noch bedeutsamer für die „Erfolgsgeschichte“ des Pianofortes sind die zahlreichen Schüler Silbermanns wie die „12 Apostel“ in London (und unter ihnen vor allem Johann Christoph Zumpe), die Mitbegründer des englischen Klavierbaus.

Bernardo Bellotto (Canaletto): Dresden vom rechten Elbufer unterhalb der Augustusbrücke, 1748, Dresden Staatliche Kunstsammlungen 
Bernardo Bellotto (Canaletto): Dresden vom rechten Elbufer unterhalb der Augustusbrücke, 1748, Dresden Staatliche Kunstsammlungen
 

London

Die Thronbesteigung des Hauses Hannover 1714 markiert das Ende der dynastischen Konflikte in Großbritannien (von der Episode des unglücklichen „Bonnie Prince Charlie“ 1745 abgesehen) und den Beginn einer rasanten Entwicklung, die das Vereinigte Königreich - trotz des Verlusts der 13 nordamerikanischen Kolonien 1776 - zur Weltmacht aufsteigen lässt.

London wird zur Weltmetropole – und zu der Stadt, in der mit Abstand die höchsten Gagen bezahlt werden. Händels Beispiel folgen unzählige europäische Musiker bis hin zu Johann Christian Bach und Joseph Haydn – eine geplante zweite Konzertreise Mozarts hat dessen früher Tod verhindert. Doch englische Musiker sind in London eine Seltenheit – der Beruf des Musikers gilt als nicht eben standesgemäß. Doch die europäischen Virtuosen finden eine florierende Konzertlandschaft vor mit besten Bedingungen, nicht zuletzt dank der überwiegend von Immigranten aufgebauten „Musikindustrie“ mit Spielstätten, Konzertveranstaltern, Musikverlagen und Instrumentenbauern aller Branchen.

Canaletto, Die Themse und die Stadt (1746-47), Prag Nationalgalerie 
Canaletto, Die Themse und die Stadt (1746-47), Prag Nationalgalerie
Händel Büste von Roubiliac, London Thomas Coram Foundation
Händel Büste von Roubiliac, London Thomas Coram Foundation
 

Regensburg

Die evangelische Reichsstadt inmitten des katholischen Baiern ist bis 1806 ständiger Sitz des „Immerwährenden Reichstags“, eines Konvents der Territorien und Reichsstände innerhalb des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation. Dieser zieht fortwährend Gesandtschaften in die Stadt, die zeitweilig oder auf Dauer in Regensburg Quartier beziehen.

Dies förderte offensichtlich die Ansiedlung von Klavierbauwerkstätten nachhaltig. Die wichtigsten Repräsentanten des Regensburger Klavierbaus, die Firma „Späth und Schmahl“ wurden vor allem durch den Tangentenflügel weithin bekannt. Regensburg ist eine der frühesten Klavierbaumetropolen im modernen Sinne, die überwiegend auf den Export der Instrumente ausgerichtet ist. Noch im frühen 19. Jahrhundert exportieren Regensburger Klavierbauer ihre Instrumente nach Italien, Russland, Amerika und in die übrigen deutschen Staaten.

Sitzung des Immerwährenden Reichstags in Regensburg im Jahr 1640, Stich aus Matthäus Merian, Theatrum Europaeum
Sitzung des Immerwährenden Reichstags in Regensburg im Jahr 1640, Stich aus Matthäus Merian, Theatrum Europaeum
 

Straßburg

Für Straßburg wird das Jahr 1648 zu einem entscheidenden Jahr der Wende: Die vordem Freie Reichsstadt wird am Ende des Dreißigjährigen Krieges Frankreich zugesprochen. Die Stadt und ihr Umland werden so noch mehr als zuvor zu einem Zentrum der gegenseitigen Kulturvermittlung „über den Rhein hinweg.“ Da Straßburg selbst sich schon sehr früh der Reformation angeschlossen hat, wird die Stadt zu einem wichtigen Anziehungspunkt für Protestanten von beiden Ufern des Rheins.

Im 18. Jahrhundert steht ein Name stellvertretend für die enge Verflechtung deutscher und französischer Musikkultur im Elsass: Silbermann. Der Begründer der Orgelbau-Dynastie Silbermann, Andreas S. aus Kleinbobritsch in Sachsen, lässt sich um 1700 in Straßburg nieder. Von diesem Zeitpunkt bis weit ins 19. Jahrhundert prägt sein spezifischer Orgelbaustil die heute noch in ganz Europa berühmten Elsässer Orgeln jener Zeit. Für den Klavierbau bedeutender sind sein jüngerer Bruder Gottfried (>Dresden) und sein Sohn Johann Andreas S.; obwohl alle genannten auch Cembali und Clavichorde hergestellt haben, ist Gottfried Silbermanns Versuch, Cristoforis „Gravecembalo col piano e forte“ nachzubauen, der Auslöser für die Herstellung von Hammerklavieren nördlich der Alpen.

Straßburger Münster
Straßburger Münster
 
 

Klassik und Romantik: Von der Vielfalt zur Standardisierung des Klaviers

Basel

Sebastian Gutzwiler, Das Familienkonzert, Basel, Kunstmuseum 
Sebastian Gutzwiler, Das Familienkonzert, Basel, Kunstmuseum

Drei Generationen sind auf dem Familienportrait des Basler Malers Sebastian Gutzwiler von 1849 um einen Tisch versammelt. Das Klavier (ein typisches Tafelklavier der Epoche) steht nahe am Tisch, gespielt von der Ehefrau, der Maler selbst dahinter spielt die Violine, der älteste Sohn Querflöte, die älteste Tochter (mit dem Rücken zum Betrachter) Violoncello. Hausmusik verbindet die Generationen der Familie. Lediglich die Großeltern und die jüngsten Kinder sind anderweitig beschäftigt; doch indem der Großvater die kleineren Kinder zur Ruhe ermahnt, bekommt die Musik eine weitere Bedeutung als eine Aktivität, die auch von denjenigen, die daran nur passiv Anteil haben, Achtung und Konzentration verlangt. Nur der Hund als „unvernünftige Kreatur“ bleibt davon ungerührt.

 

Berlin

Berliner Stadtschloss, zerstört 1945-48
Berliner Stadtschloss, zerstört 1945-48

Preußen geht aus den Napoleonischen Kriegen mit einem Führungsanspruch unter den deutschen Staaten hervor. Die Expansion Preußens im 18. und 19. Jahrhundert rückt Berlin in die Reihe der bedeutenden Städte Europas.

Dennoch kann sich das Berliner Musikleben nicht mit Paris, London oder Wien messen. Die althergebrachten Institutionen höfisch-repräsentativer Musikpflege wie Hofkapelle, Hofoper etc. ziehen nicht mehr wie noch zu Zeiten Friedrichs des Großen die führenden Musiker der Zeit (wie einen Carl Philipp Emanuel Bach) nach Berlin. Die Machtrepräsentation im 19. Jahrhundert bedient sich nicht mehr der Musik und anderer Künste, sondern der Wissenschaft, der Technik und des Militärs. Dies ist an der eher untergeordneten Bedeutung des Berliner Klavierbaus – gemessen an den anderen europäischen Metropolen – abzulesen: Das bedeutendste Erzeugnis der Berliner Betriebe der Zeit ist der „Lyraflügel“ von Schleip – fürwahr, ein dekoratives Modell eines aufrechtstehenden Hammerflügels, aber kein „Spitzenerzeugnis“ des Klavierbaus.

Chicago

 
 
Ausschnitt aus einem Vogelschauplan von Chicago (1898), Washington Library of Congress 
Ausschnitt aus einem Vogelschauplan von Chicago (1898), Washington Library of Congress

Das erste Jahrhundert der Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten von Amerika ist geprägt von einer Bevölkerungszunahme, die zu schnellem Wachstum vor allem der Großstädte des Nordens führt. New York, Chicago, Philadelphia oder Minneapolis wachsen bedeutend schneller als die Städte in den südlichen Gründungsstaaten der USA, Virginia, Georgia oder den Carolinas. Sie entwickeln sich oft binnen weniger Jahrzehnte zu Industrie- und Dienstleistungszentren für das gesamte Land. Insbesondere New York und Chicago, ersteres der Haupthafen der Ostküste, letzteres der Hauptstandort der Lebensmittelindustrie, ziehen einerseits den Großteil der Einwanderer in die „Neue Welt“ an, entwickeln sich andererseits zu den „Metropolen des Geldes“ für den gesamten Kontinent.
Chicago wird auch die bedeutendste amerikanische Klavierbaustadt. Einen entscheidenden Beitrag dazu liefert Jonas Chickering, der eine der ersten modernen arbeitsteilig strukturierten Klavierfabriken aufbaut. Sein Beitrag zur Klavierentwicklung - die Entwicklung des gusseisernen Ganzmetallrahmens – markiert den „Anfang vom Ende“ der handwerklichen Klaviererzeugung, denn die Herstellung solcher Metallkonstruktionen übersteigt die Möglichkeiten des einzelnen Handwerkers bei weitem.

 

London

Claude Monet, London, Waterloo Bridge (1903), Pittsburgh Carnegie Institute 
Claude Monet, London, Waterloo Bridge (1903), Pittsburgh Carnegie Institute

England erweist sich während und nach der Französischen Revolution als naheliegende Zuflucht für Emigranten ebenso wie als aufstrebende Weltmacht, die sich der Expansion Frankreichs unter Napoleon zu widersetzen vermag. Während der Kontinentalsperre vom europäischen Festland weitgehend abgeschnitten, beliefern englische Werkstätten und Fabriken den Weltmarkt in Übersee, dessen wirtschaftliche Bedeutung im 19. Jahrhundert stetig wächst. Nach der Niederlage Napoleons bei Waterloo festigt England seine Führungsrolle und weitet seine kolonialen Besitzungen aus. Den Entwicklungsvorsprung der englischen Industrie (erreicht durch die Entwicklung der Dampfmaschine, der Eisenbahn, der modernen Stahlherstellung, Textilmaschinen usw.) holen die übrigen europäischen Nationen erst mit erheblicher Verzögerung ein.

 

München

Moritz von Schwind, Eine Symphonie (1852, Ausschnitt), München , Neue Pinakothek 
Moritz von Schwind, Eine Symphonie (1852, Ausschnitt), München , Neue Pinakothek
Wohnstube des Komponisten Friedrich Silcher, Schnait, Silcher-Museum
Wohnstube des Komponisten Friedrich Silcher, Schnait, Silcher-Museum

Die politische Neuordnung Mitteleuropas zuerst durch Napoleon, die anschließend durch den Wiener Kongress teilweise bestätigt, teilweise revidiert wird, verändert nicht nur die politische, sondern auch die kulturelle Landschaft. Alte Reichsstädte werden neuen Flächenstaaten zugeschlagen, geistliche Herrschaften verschwinden und Grenzen werden neu gezogen. Die Hauptstädte der neuformierten Staatsgebilde wachsen zu neuen Verwaltungs- und später Industriezentren heran, andere, die diesen Status verlieren, versinken in den Dornröschenschlaf der Provinz.

Die politische Zersplitterung Deutschlands ermöglicht immerhin, dass sich neben dem immer mächtiger werdenden Preußen kleinere kulturelle Zentren etablieren können, wie die Hauptstädte der Königreiche Württemberg und Bayern, Stuttgart und München. Für manch „gewesene Hauptstadt“ wie etwa die ehemaligen geistlichen Residenzen Würzburg oder Mainz beginnt jedoch nach 1800 ein allmählicher Niedergang. Die Ansiedlung von Klavierbauern in dieser Zeit lässt solche Entwicklungen erkennen. Die Verteilung der Generation von Steins Schülern und Nachahmern ist nach 1810 noch annähernd gleichmäßig, mit Betrieben z.B. in Stuttgart (Schiedmayer), München (Dulcken, Deiß), Würzburg (Pfister), Weimar (Schenck) oder Mainz (Schott). Doch im weiteren Verlauf konzentriert sich das Gewerbe überwiegend auf die neuen Residenzen. Die handwerklichen Klavierbauer „in der Provinz“ führen ein Schattendasein – doch selbst unter solchen kann es noch zu Ausnahmebegabungen kommen wie etwa im Falle der Familie Schlimbach in Königshofen im Grabfeld.

 

Paris

Eugene Delacroix, La Liberté Guidant Le Peuple (1830), Paris Louvre 
Eugene Delacroix, La Liberté Guidant Le Peuple (1830), Paris Louvre

Nach Revolution und napoleonischer Herrschaft büßt Frankreich seine politische, wirtschaftliche und kulturelle Vormacht in Europa weitgehend ein. Innere Unruhen wie die Revolutionen von 1830 und 1848 destabilisieren das Land zusätzlich. Frankreich isoliert sich mehr und mehr von den Nachbarländern und beginnt seinerseits im Wettlauf mit Großbritannien den Ausbau eines Kolonialreiches vor allem in Nord- und Westafrika. Die Hauptstadt Paris bekommt durch die umfangreiche Stadterneuerung von Haussmann ihr modernes Gesicht.

Das Konzertleben in der französischen Hauptstadt ist maßgeblich von einigen wenigen Institutionen wie der Oper und dem Conservatoire sowie den Aktivitäten der beiden führenden Klavierfirmen Erard und Pleyel geprägt, die jeweils eigene Konzertsäle betreiben und miteinander in stetem Wettstreit stehen. Durch ihre Aktivitäten, die renommiertesten Pianisten an sich (und ihre jeweiligen Produkte) vertraglich zu binden, ist die Zahl und Qualität der öffentlichen Klavierkonzerte im Paris jener Epoche vielleicht höher als irgendwo sonst.

 

Wien

Delegierte auf dem Wiener Kongress, Stich nach Jean-Baptiste Isabey 
Delegierte auf dem Wiener Kongress, Stich nach Jean-Baptiste Isabey

Die Metropole des habsburgischen Vielvölkerstaates ist eines der Machtzentren Europas; der Wiener Kongress 1815, der dem nachnapoleonischen Europa eine einigermaßen stabile Friedensordnung verschafft, beendet die Jahrhunderte währende Rivalität mit Frankreich. Die Habsburgermonarchie versucht die Nachfolge des zerfallenden Osmanischen Reiches in Südosteuropa anzutreten, was bald neue Konflikte in Europa heraufbeschwört. Doch die Ausstrahlung Wiens ist in allen Teilen Österreich-Ungarns spürbar. Selbst in den entfernteren Kronländern entsteht ein „Klein-Wien“ nach dem anderen, ob in Laibach (Ljubljana), Triest, Prag, Lemberg (Lwiw) oder Czernowitz.
Das Wiener Musikleben ist allerdings nach dem Tode Beethovens (und Schuberts) auf dem Weg hin zur „leichten Muse.“ Nicht mehr die neuesten Sinfonien oder Klaviersonaten faszinieren das Publikum, sondern der Wiener Walzer, der nach 1815 zum Modetanz einer ganzen Epoche wird und seine führenden Komponisten wie die Familie Strauß oder Joseph Lanner auf der ganzen Welt bekannt macht.

 
 
 
 
 

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