Die ersten Anzeichen, dass das Pianoforte allmählich das Cembalo in der Hintergrund drängen könnte, hätte ein aufmerksamer Beobachter des Zeitraums zwischen etwa 1765 und 1785 in England beobachten können. Dort spielte sich das erste Kapitel der „Erfolgsstory“ des Hammerklaviers ab. Zur Zeit des Siebenjährigen Krieges emigrierte ein sächsischer Klavierbauer namens Johannes Zumpe nach London und begann mit der Herstellung von Tafelklavieren. In England hatte das Clavichord nie große Bedeutung eingenommen und daher war ein „Kleinklavier“, auf dem dynamische Differenzierungen wiedergegeben werden konnten, eine sensationelle Neuheit. 1764 erklang erstmals ein Pianoforte in einem öffentlichen Konzert, gespielt von keinem Geringeren als Zumpes sächsischem Landsmann Johann Christian Bach – und es handelte sich dabei nicht um einen großen, klangvollen Flügel, sondern um ein kleines Tafelklavier.
Die Tafelklaviere Zumpes verkauften sich wie die sprichwörtlichen „warmen Semmeln“ und sein Erfolg zog weitere Emigranten an wie die Sachsen Johannes Pohlmann und Adam Beyer (Abb. 1), die Brüder Astor aus Walldorf in der Pfalz oder den italienischen Pianisten Muzio Clementi. Aus Klavierbauwerkstätten entstanden binnen weniger Jahrzehnte die ersten großen „Musikhandlungen“, die alle Arten von Instrumenten herstellten (bzw. meist: herstellen ließen), im- und exportierten, Musikalien druckten und verlegten, Konzerte veranstalteten. Mit Firmen wie Longman & Broderip (später Clementi & Co.), Astor & Co., Collard & Collard oder Gerock & Wolf entstand um 1800 in London die Musikindustrie modernen Zuschnitts.
Diese enorme wirtschaftliche Dynamik war auf dem Erfolg des
Tafelklaviers (und einiger heute großteils fast vergessener
„Modeinstrumente“ wie etwa der „English Guitar“) gegründet. Wie schon
zwei Jahrhunderte zuvor bei der Verbreitung des Virginals, dem seitdem
traditionellen englischen Klavier für den Hausgebrauch, bildete dabei
der englische Adel und das materiell begüterte Bürgertum eine
Käuferschicht, die es in diesem Umfang in anderen Ländern Europas nicht
gab; eine gesellschaftliche Gruppe zudem, für die musikalische Bildung
Teil ihres Selbstverständnisses darstellte. Das Ideal des "Gentleman
amateurs“ von umfassender Bildung, aber ohne professionelle Ambitionen,
sollte Violine oder Querflöte beherrschen und eine passable Singstimme
besitzen, die „Lady“ von Stand dagegen singen und Klavier spielen und
beide einander begleitend ergänzen. Dazu benötigte man ein Klavier, das
im Wortsinn ein Kammermusikinstrument darstellen mußte, das mit seinem
Volumen auch eine vielleicht nur zarte oder zaghafte Singstimme nicht
übertönen durfte, aber unter allen Umständen ein dekoratives Möbelstück
im Geschmack der Zeit abgab.
Zwar wurden die Tafelklaviere im
Laufe der Jahrzehnte immer größer und klangvoller (Abb.2), doch entstand
vor diesem Hintergrund etwas, was es in dieser Form in anderen Ländern
so nicht gab: das Klavier als wichtige Gestaltungsaufgabe für
Kunstschreiner, Bildhauer, Maler, Architekten. Die Reihe berühmter
englischer Künstler, die allein für die Firma Broadwood von den 1790er
Jahren bis ins 20. Jahrhundert Klaviere entwarfen, begann mit Sheraton
und Chippendale jun.und reicht über Edward Burne-Jones, Lawrence Alma
Tadema und William Morris bis zu Baillie Scott und Edward Lutyens. Viele
Details dieser Einzelstücke gingen dennoch in die Gestaltung der
Serieninstrumente ein, die Landsitze oder Stadthäuser zieren sollten.
P. S.: Die Brüder Astor zogen bald von London nach New York weiter und ihr Herkunftsort und ihr Name wurden dort so legendär wie ihr Reichtum; diesen erwarben sie allerdings nicht mehr mit ihren Klavieren. Doch das ist eine ganz andere Geschichte ...
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