Österreich war durch seine politischen Struktur geradezu prädestiniert, eine vermittelnde Stellung zwischen den unterschiedlichen Orgellandschaften einzunehmen, umfaßte der habsburgische Herrschaftsbereich doch nicht nur die österreichischen Kernlande Ober- und Niederösterreich (die heutigen österreichischen Bundesländer) sowie Vorderösterreich, den umfangreichen Streubesitz in Schwaben und am Rhein, sondern auch noch die zeitweise österreichischen Niederlande (das heutige Belgien), die ausgangs des Mittelalters erworbenen Herzogtümer und Grafschaften Kärnten, Tirol, Steiermark, Görz, Cilli (im heutigen Slowenien) und vor allem die Königreiche Böhmen und Ungarn. Das Haus Habsburg regierte von der Nordseeküste bis zur Adria, an Rhein, Moldau und Oder wie an der Donau, im Alpenraum ebenso wie im Karpatenbogen. Tatsächlich eröffnete dieser immense Herrschaftsbereich einen regen kulturellen Austausch sowohl in West-Ost, als auch in Nord-Süd-Richtung: der Schlesier Eugen Caspar/Eugenio Casparini, der sowohl im heutigen Norditalien als auch in Schlesien tätig war, bewegte sich doch nicht oder nur um wenige Meilen aus den Ländern der Habsburgerkrone hinaus.
Doch gerade die Großräumigkeit dieses Gebietes ermöglichte auch, dass sich innerhalb durchaus – mehr oder minder deutlich unterscheidbare – Orgellandschaften entwickelten. Die österreichischen Kernlande an der Donau, geprägt durch die Wirkung des Orgelbauergeschlechtes der Egedacher, die von den souveränen Fürstbistümern Passau und Salzburg aus Maßstäbe für den Orgelstil in Baiern und Österreich gleichermaßen setzten, strahlten ihrerseits auf die Kronländer Böhmen und Ungarn weitaus stärker aus als etwa auf die westlichen Herrschaftsbereiche. Dies lag auch in der politischen Geschichte begründet. In Böhmen nahm der Dreißigjährige Krieg seinen Anfang und die Zeit danach war bestimmt von der Rekatholisierung aller habsburgischen Länder. Im Südosten von Ungarn her bedrohte hingegen das Osmanische Reich bis zur zurückgeschlagenen Belagerung Wiens 1683/84 den Bestand Österreichs, und damit auch die Stellung der Kirche. Je weiter die einzelnen Gebiete nun von dem Machtzentrum Wien entfernt lagen, umso eigenständigere Züge konnten sich etwa in der Gestaltung der Orgeln entfalten.
Einzelne Elemente des österreichischen Orgelstils sind Prinzipalbetonung, die Vorliebe für die doppelte Prinzipalbesetzung in der 8’-Lage in Form eines Registers aus Zinn und eines weiteren aus Holz („Portun“), die Reduzierung der Zungenstimmen und die Vorliebe für die Positionierung größerer Orgelteilwerke in der Emporenbrüstung. Insbesondere nach Westen (Baiern, innerer Alpenraum, Oberrhein) nehmen allmählich die stilistischen Unterschiede zu; in Altbaiern gekennzeichnet durch den Verzicht auf Rückpositive, im westlichen Alpen- und Voralpenraum durch die wachsende Vorliebe für differenzierte Farbregister. Dagegen ähneln die Instrumente in Böhmen oder dem später habsburgischen südlichen Polen den österreichischen Orgeln weitaus deutlicher.
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