hammerflügel
stein-schule, süddeutsch ca. 1780

Original erhaltener süddeutscher Hammerflügel aus dem Umkreis Johann Andreas Steins

Tonumfang:
5 Oktaven, 61 Tasten (F1-f3)
ein Kniehebel: Dämpferhebung

Signatur:
keine

Mechanik:
Prellzungenmechanik

 Hammerflügel Stein Schule – Gesamtansicht 
Hammerflügel Stein Schule – Gesamtansicht
Ansicht einer Taste  
Ansicht einer Taste
 

Das Instrument trägt keinerlei Hersteller- (oder Besitzer-) Signatur. Insofern kann es nur anhand äußerlicher und stilistischer Kriterien näher bestimmt werden. Es ist dabei offensichtlich, dass eine weitgehende, aber in einigen Details auch auffällig abweichende Ähnlichkeit mit den erhaltenen Hammerflügeln von Johann Andreas Stein aus dem Zeitraum um 1780 besteht. Es liegt daher nahe, das Instrument in den Umkreis Steins einzuordnen.

Das Fehlen einer (auch versteckten) Signatur an sich ist selbst mehrdeutig. Das Recht, eine sichtbare Signatur anzubringen, stand nur einem Meister zu. Eine erste denkbare Erklärung ist daher die Annahme, das Instrument sei eventuell eine Gesellenarbeit. Es zeigt allerdings ein bemerkenswert ausgereiftes Niveau der Arbeit, das für eine intensive Erfahrung mit der Herstellung eines solchen Flügels spricht. Doch auch ein Instrument von Gesellen entstand unter der Aufsicht eines Meisters, sollte daher von seinen Vorgaben nicht wesentlich abweichen.

Das auffälligste Merkmal an diesem Instrument ist jedoch eine bei Stein nicht nachweisbare Modifikation zur Feinjustierung der Hammerkapseln. Jede Hammerkapsel besitzt zusätzlich zur üblichen Stellschraube, die die Kapsel auf der Taste fixiert, eine weitere Stellschraube, die mit einem gängigen Uhrfederschlüssel feinjustiert werden konnte, ein Einfall, der die Regulation des Hammeranschlags wesentlich erleichterte und bei der Regulierung der Mechanik deutlich Zeit sparte.

Hinterende der Taste von unten
Hinterende der Taste von unten
Röntgenbild
Röntgenbild
 

Das Röntgenbild zeigt sowohl die Stellschraube (links) als auch die eigentliche Fixierschraube (rechts) für die Hammerkapsel, wie sie Stein ausschließlich verwendet.

Im Umkreis Steins scheinen solche Ideen für diesen Arbeitsgang mehrere Klavierbauer beschäftigt zu haben. Im Rahmen unserer Dokumentation eines ebenfalls anonym überlieferten Flügels der Sammlung der Klassik Stiftung Weimar fiel eine Konstruktion auf, die allerdings einen vergleichbaren Effekt mit Hilfe eines kleinen Holzkeils unter der Kapsel erreichte. Der Hersteller dieses Weimarer Instruments konnte anhand einer im Inneren verborgenen Bleistiftinschrift als Johann Schenck in Weimar identifiziert werden, ein direkter Schüler Johann Andreas Steins. Er kommt angesichts der auch deutlichen Unterschiede als Hersteller unseres Instruments zwar nicht in Frage, verweist allerdings ebenfalls auf den mutmaßlichen Herstellerkreis.  

Tastenende Hammerflügel Schenck Weimar 1798
Tastenende Hammerflügel Schenck Weimar 1798

Der heute bekannte Kreis der früheren Lehrlinge, Gesellen und damit Schüler Johann Andreas Steins reicht bio- und geographisch weit über die Werkstatt Steins am Augsburger Ulrichsplatz hinaus, denn viele gingen von dort in weiter entfernte Orte, wie etwa seine Kinder Nanette und Matthäus Andreas nach Wien, sein Cousin Georg Marcus nach Durlach, dessen Sohn Johann Andreas Stein (d.J.) nach Riga, Volmar (Valmiera) und Pernau (Pärnu),  Joseph Hunn über Prag nach Berlin, Johann David Schiedmayer nach Erlangen,Johann Geotg Doppler über Bayreuth nach Nürnberg, Johann Schenck nach Weimar, Johann Ev. Schmidt nach Salzburg, wobei sich wohl Informationsaustausch durch persönliche Anwesenheit oder familiäre Kontakte überschnitten haben.

Hinzu kommt der Bereich der Kopisten und Nachahmer Steins, der mit den Augsburger Zeitgenossen und Nachfolger nach den Ende der Werkstatt Stein beginnt, wie Senft, Wirth oder Zauscher, jedoch sicher ebenfalls weit über Augsburg hinaus reicht, sobald einzelne Instrumente Steins als Inspiration und Kopiervorlage dienten. Manche sind nur archivalisch nachgewiesen, doch kann ein konkreter Abgleich in diesem konkreten Fall nur an erhaltenen Instrumenten mit originaler Substanz erfolgen. Steins Instrumente bildeten selbst eine Vermittlungsebene, deren Breitenwirkung nur umrisshaft nachvollzogen werden kann.

Hammerflügel Stein-Schule süddeutsch um 1780 
Hammerflügel Stein-Schule süddeutsch um 1780

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