hammerflügel
joseph böhm (1786-1848), wien ca. 1821 oder folgende Jahre

Derzeit der einzige erhaltene Hammerflügel mit einem eingebauten Orgelregister aus dieser Epoche.

Tonumfang:
6 Oktaven + Quart, 78 Tasten (C1-f4)

Pedale (v.l.n.r.): Orgel, Pianoforte aus, Fagott, Moderator, Dämpferhebung, Janitscharen (mit "Trommel", 3 Glöckchen), Balg

Signatur:
„JOS: // BOEHM // IN WIEN“ (Perlmutteinlage, Zierschrift)  am Resonanzboden die Signatur „Joseph Boehm in Wien Clavier No 804“.

Besaitung:
Messing: C1-F
Eisen: Fis-f4
Orgelpfeifen von f0 bis f4

Mechanik:
Wiener Mechanik

Besonderheiten:
Anweisungen für den Ausbau der Mechanik auf dem Unterboden aufgeklebt [italienisch, handschriftlich]

Vorderansicht 
Vorderansicht
Signatur 
Signatur
 

Joseph Boehm hatte um 1821 die Konstruktion mit eingebautem Orgelregister öffentlich präsentiert. Neben diesem Orgelregister "Querflöte/Wienerflöte" mit dem Ambitus f0-f4 besitzt dieser Flügel außerdem folgende Veränderungen: Orgel an, Pianoforte aus, Fagott, Moderator, Dämpferhebung, Janitscharen  ("Trommel"=Anschlag quer über die tiefsten Saiten plus Resonanzboden, 3 Glöckchen), Balgtritt.

Joseph Böhm (1786-nach 1841) erhielt seine Ausbildung zum Klavierbauer ab 1811, zwei Jahre später eröffnete er eine eigene Werkstatt. Er erhielt mehrere 5-Jahres-Privilegien / Patente, u.a. 1821 für einen Notenständer mit einer vom Fuß zu bedienenden Umblättervorrichtung, und, auch 1821, für ein Pianoforte mit Orgelregister.

Da diese Korpusform mit abgerundeten Ecken um 1830 zugunsten einer vergleichsweise deutlich eckigen Form aus der Mode kommt, ist eine Entstehung in den 1820er Jahren wahrscheinlich.

Zitat Keeß

"1821 hat der Claviermacher Jos. Böhm in Wien ein Pianoforte vollendet, mit welchem ein 5½octaviges Flötenwerk, dessen Pfeifen horizontal am Boden des Pianoforte liegen, verbunden ist, so daß das eine oder andere allein, oder beyde zusammen gespielt werden können." (aus: Stephan Edler von Keeß: Beschreibung der Fabricate, welche in den Fabriken, Manufacturen und Gewerben des österreichischen Kaiserstaates erzeugt werden, Wien 1823 II, S. 199.)

Böhm galt zu seiner Zeit als einer der innovativsten Klavierbauer. In der Tat sind einige seiner Ideen sehr praxisnah, aber auch nicht unbedingt wirklich neu, ob nun sein Notenwender, eine Transpositionsklaviatur, eine angehängte Pedalklaviatur oder seine Fortepianos "mit Flötenwerken".  Inwieweit all diese seine Erfindungen nun auch unmittelbar nachgefragt wurden und sich aber als zu wenig praktikabel oder schlicht zu teuer erwiesen, ist nicht bekannt.

Literaturhinweise und weitere informationen

Literatur:

Laurence Libin:
Keynotes: Two centuries of piano design.
In: Clavier 26/6 (1987), S.11-15.
Ders. : Keyboard Instruments (Katalog des Metropolitan Museum of Art).(1989), S.39.

Martha Nowak Clinkscale:
Makers of the Piano 1700-1802. Oxford (1993), S.27f..:

Zwei Instrumente werden hier aufgeführt, beide ohne Orgeleinrichtung. Sie befinden sich heute im Metropolitain Museum of Arts und im Salzburger Museum Carolino Augusteum.

Es gibt nach Clinkscale nur noch zwei weitere Orgel-Hammerflügel anderer Erbauer:

C.G.Friederici (Gera), ehemals Sammlung Heyer, Foto S.203, heute Universität Leipzig, Musikinstrumenten-Museum

J.A.Stein, heute in Schweden, Foto bei Franz Josef Hirt, Meisterwerke des Klavierbaus, Zürich 1981

Ein weiteres Instrument von J. S. Kühlewein besitzt Glasflaschen als Pfeifen (?), zwei weitere Instrumente sind eher unklar.

Hammerflügel Joseph Böhm Wien, nach 1821 
Hammerflügel Joseph Böhm Wien, nach 1821

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