Institutsgedanke

Wir wissen, mit dem Diktum Gustav Mahlers, dass das Schönste der Musik «nicht in den Noten» steht.

Daraus erwächst das Problem der Interpretation und wächst mit der zeitlichen Entfernung der Komposition. Die Konstruktion der Musikinstrumente bewahrt jenen Teil des Schönen, der die Idee der Musik mit dem Klang verbindet. Ziel einer wissenschaftlichen Instrumentenkunde ist nur selten der meist durch Zeitläufe veränderte Klang an sich, sondern das Aufdecken der klanggestaltenden handwerklichen Struktur. Wie die Musiker damals und heute haben auch die Handwerker eine differenzierte Ausbildung durchlaufen. Die vorindustrielle Zeit bildete den Handwerker so gründlich aus, dass er mit dem Erlangen der Meisterwürde zu einem frei Gestaltenden im Klangraum werden konnte. In der Textur der Arbeit erhält sich dieses Erfüllen der Ausdruckssehnsucht, im erhaltenen Instrument wird diese Textur lesbar. Von kulturhistorischer Bedeutung sind also die Struktur, die Bautechnik des Instruments und die hier erkennbare Idee.

Das Greifenberger Institut für Musikinstrumentenkunde wird von dem Gedanken getragen, dass Musikinstrumente ein wesentlicher Teil der kulturellen Überlieferung sind, weil in diesen Werken der handwerklich-künstlerischen Ausdruckskraft - der Moment des Poetischen - auch über die Zeitläufe hinweg zugänglich wird. Um diesen Moment des Poetischen zu erkennen, bedarf es eines hermeneutischen Prozesses, der die ideengeschichtliche Überlieferung zugänglich macht. Im über die Zeiten erhaltenen Instrument ist durch seine technisch-physikalische Struktur eine konkrete Idee einer Ausdrucks-Sehnsucht erhalten, ja mehr noch, gleichsam abgebildet. Es ist also die technisch-handwerkliche Kultur, die über das einzelne Objekt hinausreichende wesentliche Ideen umgesetzt und im Instrument erhalten hat. Das Institut steht allen Projekten offen, die der Erforschung dieser Struktur dienen und dazu beitragen, den ideengeschichtlichen Zusammenhang von Komposition und Instrument zu erforschen.

Wir sehen unsere Aufgabe in der Förderung von Methoden der wissenschaftlichen Aufbereitung der ideengeschichtlich-handwerklichen Überlieferung historischer Instrumente. Archivalische Forschung, Methoden der messtechnischen Dokumentation, physikalisch-technische Untersuchungen, Alters- und Materialbestimmung, Analysen der Fertigungstechnik sind sinnvolle, einander ergänzende wissenschaftliche Methoden. Deren Anwendung und Weiterentwicklung erforscht das Institut. Die praktische Umsetzung der gewonnenen Erkenntnisse im Sinne einer experimentell-archäologischen Vorgehensweise führt zur befundgeführten Rekonstruktion von Instrumenten und zum reverse engineering auch ihrer Herstellungsverfahren. Die Verbindung naturwissenschaftlicher mit musikwissenschaftlichen Methoden öffnet so einen Erkenntnisraum, der Grundlage einer modernen Musikinterpretation werden kann.

Helmut Balk

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