Musiktheoretiker und -praktiker quälte seit der Wiederbeschäftigung mit
den antiken Autoren wie Pythagoras ein (bis heute!) ungelöstes Problem:
das der reinen Temperierung der Intervalle. Wie konnte man auf einem
Musikinstrument eine Möglichkeit schaffen, etwa die Töne dis und es, die
je nach Zusammenhang (dis z.B. als Leitton zu e, es als Quarte über b)
unterschiedlich hoch sein sollten, auch tatsächlich voneinander zu
unterscheiden.
Die moderne „gleichschwebende“ Temperierung, die
nach langen Jahrhunderten als Kompromiss erreicht wurde, stellt die in
mancherlei Hinsicht unbefriedigendste aller Lösungen dar, indem alle
Intervalle mit Ausnahme der Oktave „gleich falsch“ eingestimmt werden,
so daß sich der Fehler des sogenannten „pythagoräischen Kommas“
gleichmäßig über alle Intervalle verteilt. Der einzige Vorzug dieser
Temperierung ist die unbeschränkte Möglichkeit der Modulation und der
Wahlfreiheit der Tonarten. Ein Preis dafür sind einige besonders unreine
Intervalle wie Terzen und Sexten, so etwa die grosse Terz, die um etwa
ein Sechstel eines Halbtons zu hoch ist.
Aber die
gleichschwebende Temperierung besitzt gewisse technisch-praktische
Vorzüge, wie ein Blick auf andere Problemlösungsansätze verdeutlicht.
Besonders anschaulich zeigt dies ein Instrumententyp, das nach der
Beschreibung bei Michael Praetorius in der Literatur allgemein als
„Clavicymbalum Universale“ benannt wird.
Auf den ersten Blick
fällt die Tastatur dieses Instruments auf, das 1606 von Vito de
Trasuntino in Venedig nach dem Vorbild des Musiktheoretikers Nicola
Vicentino entstand (heute in Bologna, Museo di Musica): Es besitzt einen Umfang von 4 Oktaven, jede Oktave
aber 31 Tasten, d.h das Instrument insgesamt 125 Tasten (ein moderner
Konzertflügel „nur“ 88)! Anstelle einer üblichen „schwarzen“ Taste
befinden sich hier vier Tasten, dazu zwischen den Halbtonschritten e-f
und h-c jeweils zwei zusätzliche Obertasten. Jeder übliche Obertastenton
ist aufgeteilt mit separater Taste für jeden einfach
erniedrigten/erhöhten und doppelt erniedrigten/erhöhten Ton, dazu sind
zwischen e und f das eis und fes, zwischen h und c das his und ces
eingefügt. Der Erbauer lieferte übrigens ein eigens dazu hergestelltes
und kalibriertes Monochord mit, um die einzelnen Tonstufen genau
bestimmen zu können.
deses | disis | geses | asas | aisis | ||||||||||
cisis | eses | fisis | gisis | hes | ||||||||||
des | dis | fes | ges | as | ais | ces | ||||||||
cis | es | eis | fis | gis | b | his | ||||||||
c | d | e | f | g | a | h | (c) |
Andere Universalcembali wie dasjenige des kaiserlichen Kapellmeisters Carl Luython zu Prag, das Praetorius selbst sah, besaßen „nur“ 19 Tasten pro Oktave, verzichteten also im Vergleich zu dem Instrument von Trasuntino auf die doppelt versetzten Töne und gaben nur je eine Taste zwischen e-f bzw. h-c
Es existieren durchaus einige Kompositionen für derartige Instrumente
wie auch Vokalwerke mit ähnlichen Anforderungen an die Intonation der
Sänger – die jedoch zur Bewältigung dieser Anforderungen „nur“ ein sehr
gutes Gehör benötigen – wie Madrigale von dem genannten Nicola Vicentino
oder von Luzzascho Luzzaschi, der auch als Spieler eines derartigen
Instruments gerühmt wurde.
Denn ohne Zweifel waren die
Anforderungen an die Spieler wie auch an die Klavierstimmer, die eine
solche Konstruktion stellte, immens und trugen nicht eben dazu bei, daß
sich diese zumindest „annähernd ideale“ Lösung des Problems der reinen Stimmung in der Musik durchsetzte.
Das
Prinzip der „geteilten Obertasten“ jedoch sollte sich, wiewohl weniger
extrem realisiert, noch bis ins 18. Jahrhundert halten, etwa um
zumindest für einige Halbtonschritte Alternativen zu haben
(besonders häufig dis/es) oder bei kurzer Oktave im Bass auch die an
diesen Stellen eigentlich zu erwartenden Halbtonstufen einzufügen.
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