Der flämische Cembaobau konzentriert sich besonders in der Hafenstadt Antwerpen (und dort bei der Familie Ruckers). Hier entstehen im Verlauf des 16. Jahrhunderts eigene Cembalotypen. Im Gegensatz zur italienischen Tradition konzentrieren sich die flämischen Werkstätten zunächst auf den Bau von Virginalen von stabiler Bauweise, die rasch und in großer Zahl in andere europäische Länder exportiert werden. Ihr Klang ist vergleichsweise voll, die Instrumente widerstandsfähig und zugleich äußerlich dekorativ und daher hochgeschätzt.
Augsburg und Innsbruck stehen stellvertretend für die vielen kulturellen Zentren des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation, in denen die erste große Blüte des Klavierliteratur ihren Anfang nimmt. Die bedeutendsten frühen Handschriften der Klaviermusik stammen aus dem deutschen Sprachraum, die größten Virtuosen der Epoche wie Conrad Paumann oder später Paul Hofhaimer ebenso. Paumann stammte aus Nürnberg und ging später nach München, wo er auch begraben liegt. Hofhaimer war kaiserlicher Hoforganist und wirkte in Augsburg, Innsbruck und anderen Orten. Die von ihm entworfenen Orgeln in Augsburg, St. Anna (zerstört 1944) und Innsbruck, Hofkirche (erhalten) zeugen noch heute von seiner Bedeutung. Um diese Zeit ist das Repertoire für Tasteninstrumente noch praktisch identisch, es gibt also kaum einen Unterschied zwischen Musik für Orgel und solcher für Saitenklavier.
In Basel erscheint 1511 der erste Traktat, der sich, verfaßt in einer Volkssprache, mit Musikinstrumenten beschäftigt, die Musica getutscht („verdeutscht“, hier ins Basler Alemannisch) des Sebastian Virdung, ergänzt mit Holzschnitten von Urs Graf. Das Interesse an Musikinstrumenten ist in dieser Zeit offenbar allgemein so groß geworden, dass von nun an nicht mehr in der Gelehrtensprache Latein darüber geschrieben wird.
Um 1440:
Der Musiktheoretiker Henri Arnaut von Zwolle verfaßt um 1440
seinen Traktat De mensura fistularum (“Vom Maßverhältnis der
Orgelpfeifen”), die erste Abhandlung, die sich ausführlich mit der
Konstruktion von Musikinstrumenten auseinandersetzt. Im Mittelpunkt
steht zwar die Orgel, doch behandelt Arnaut auch eine Vielzahl von
anderen Instrumenten seiner Zeit, wie Clavichord, Cembalo, „Dulce melos“
(ein Tasteninstrument mit Hämmern, von dem sonst nichts überliefert ist, zweieinhalb Jahrhunderte vor Cristofori!) und Laute. Er
demonstriert erstmalig die geometrischen Konstruktionsprinzipien, die –
abgewandelt – bis in die Gegenwart bei Entwurf und Konstruktion von
Musikinstrumenten Anwendung finden.
In Italien erreicht der Bau von Cembali einen ersten Höhepunkt und eine „Schule“ entsteht, die einen Cembalotyp mit charakteristischen Eigenheiten und Eigenschaften hervorbringt. Die italienischen Cembali, dünnwandig und schnell ansprechend, doch etwas „spröde“ im Klang, geben die ersten Vorbilder; Instrumentenmacher anderer Nationen folgen ihnen oder entwickeln im Gegensatz dazu eigene Modelle.
In England blüht die Musik unter der Herrschaft der Tudors auf. Ihre repräsentative Hofhaltung wird bald von den vermögenden Familien der Nobility und Gentry nachgeahmt. Für Musiker ergeben sich eine Fülle an Verdienstmöglichkeiten. Über das Land verteilt entstehen kleinere musikalische Zentren in Städten, Herrensitzen und an Kathedralen. Die Klaviermusik erblüht, und Komponisten wie John Bull, William Byrd und andere schaffen Werke für „Virginals“ (im engen Sinne das bereits weitverbreitete Virginal flämischen Typs, doch offensichtlich genauso ein Oberbegriff für alle Arten von Tasteninstrumenten einschließlich der Orgel), die einen Höhepunkt der Klaviermusik der ausgehenden Renaissance markieren und im 17. Jahrhundert die Klavierkomposition auch in anderen Ländern Nordeuropas beeinflussen werden.
Leonardo da Vinci, Maler, Festungsbauer, Architekt
... entwirft um die Wende zum 16. Jahrhundert neben vielen anderen
Plänen auch Konstruktionen für Musikinstrumente, wie eine „Viola
organizzata“ (ein Streichklaviermechanismus), eine Trompete mit
Klaviatur oder ein automatisierter Schlagapparat für eine Trommel.
Anders als seine Entwürfe diverser Fahr- und Fluggeräte, die im Laufe
des 19. und 20. Jahrhunderts – mehr oder minder nahe an seinen Ideen –
tatsächlich und funktionstüchtig realisiert worden sind, harren einige seiner
musikalisch-technischen Ideen noch der Umsetzung.
Bei dem Verleger Luthers, Georg Rhaw in Wittenberg, erscheint 1529 die Musica instrumentalis deudsch des Magdeburger Kantors Martin Agricola. In vielem aufbauend auf Virdungs zuvor in Basel erschienener Publikation (die Holzschnitte Grafs wurden z. B. kopiert), geht Agricola doch in manchen Punkten darüber hinaus und gibt Zeugnis von der lebhaften Entwicklung, die die Instrumentalmusik in dieser Epoche erfährt. Es ist die erste Schrift dieser Art, die ausdrücklich für den Gebrauch an Schulen bestimmt ist.
Im Jahr 1619 erscheint der zweite Band des Syntagma Musicum („Musikalischer Versammlungsplatz“) mit dem Untertitel De Organographia („Beschreibung der Orgeln [einbegriffen andere Musikinstrumente]“ von Michael Praetorius, trotz des lateinischen Titels in deutscher Sprache. Praetorius beschreibt hierin das Instrumentarium seiner Zeit mit einem besonderen Akzent gerade auf den diversen Neuschöpfungen der ausgehenden 16. Jahrhunderts. Er tut dies in einer Ausführlichkeit, die dieses Buch heute noch zu einer Fundgrube für Informationen macht, für die es kaum Vergleichbares gibt.
(Die musikalische Nachwelt bedauert nur eines: Er wußte wahrscheinlich noch, wo und unter welchen Umständen die Violine entstand. Doch er schrieb dazu nur „Und demnach dieselbige jedermänniglichen bekandt, ist darvon ... etwas mehr anzudeuten und zu schreiben unnötig.“ Hätte er doch nur „angedeutet“ - was damals jeder wußte, weiß heute niemand mehr).
1648 werden die protestantischen Nordprovinzen der
Niederlande unabhängig, die katholischen Südprovinzen verbleiben
jedoch unter der Herrschaft der (spanischen) Habsburger (das heutige Belgien).
Das von der Dynastie Oranien-Nassau regierte Königreich der Niederlande
wird durch den regen und ertragreichen Überseehandel mit Asien und
Amerika bald zu einem der reichsten Staaten Europas und die
niederländischen Städte, vor allem Amsterdam, überflügeln bald ihre
ehemals reicheren Nachbarn in Flandern wie
Antwerpen, Brüssel oder Brügge. Dies führt zu einer Blüte der Kunst und
Kultur – von der Malerei bis zum Gartenbau – doch die Musik führt eher
ein Schattendasein.
Eine bedeutende Ausnahme bildet Jan
Pieterszoon Sweelinck, Organist der Oude Kerk zu Amsterdam, einer der
bedeutendsten Klavierkomponisten des ausgehenden 16. Jahrhunderts; doch
neben seinen Kompositionen liegt sein Hauptverdienst in seinem Wirken
als (offenbar hochbezahlter) Lehrer der bedeutendsten niederländischen
und vor allem deutschen Klavierkomponisten des 17. Jahrhunderts.
Die südlichen spanischen Niederlande bleiben ein politischer Unruheherd
in Europa. Der Unabhängigkeitskampf gegen die spanische Krone wird – in
wechselnden Koalitionen – von Frankreich, England oder dem unabhängigen
Norden unterstützt, um sich gegenseitig zu schwächen und diese ehedem
reiche Provinz des Habsburgerreiches unter ihre jeweils eigene Kontrolle
zu bekommen.
Die reiche Musikkultur dieser Region, die noch im
vorhergehenden Jahrhundert ganz Europa maßgeblich befruchtet, leidet
massiv unter den immerwährenden Unruhen, Aufständen und
Militärexpeditionen. In Antwerpen besteht die Werkstätte der Ruckers
(und Couchet) noch im 17. Jahrhundert weiter, und die Familie Dulcken
führt deren Tradition noch bis ins 18. Jahrhundert fort, doch insgesamt
befindet sich Antwerpen in einem stetigen wirtschaftlichen Niedergang.
Die Klein- und Stadtstaaten Norditaliens mit ihren regierenden
Fürstenhäusern wie den Medici, Este, Sforza oder Gonzaga sind klein,
aber oft durch Handel sehr reich. Die Konkurrenz zwischen ihnen (sowie
mit den benachbarten Republiken Venedig und Genua und dem Kirchenstaat)
und die Versuche von außen, sie unter französische, deutsche (nominell
gehörten sie teilweise dem Hl. Römischen Reich an) oder spanische
Kontrolle zu bekommen, prägen ihre Geschichte und Kultur über
Jahrhunderte.
Doch im 17. Jahrhundert setzt langsam ihr Niedergang
ein. Der Mittelmeerhandel, der Staaten wie Venedig reich gemacht hatte,
verliert immer mehr an Bedeutung – das Osmanische Reich beherrscht den
Süden und Osten der Mittelmeerküsten, die Expeditionen der Portugiesen
und Spanier nach „Indien“ (daher die Benennung der karibischen Inseln
als „Westindien“) und Ostasien verlagern den europäischen (Amerika- und)
Orienthandel auf den Seeweg über den Atlantik, von dem die Flotten der
Italiener praktisch abgeschnitten sind. Und auch die alten transalpinen
Handelsbeziehungen verlieren an Bedeutung, da in Nordeuropa
jahrzehntelang ein furchtbarer Krieg wütet.
Doch die Musik blüht:
Oper und Oratorium, Kirchenmusik und höfisches Musikleben bilden
Vorbilder für ganz Europa; ein Aufenthalt oder gar eine Ausbildung in
Italien ist für viele aufstrebenden jungen Komponisten aus dem Norden
die letzte Verfeinerung ihrer Fähigkeiten. Italien erwirbt sich in
diesem Zeitraum seinen Ruhm als das Land der Musik schlechthin in
Europa.
Das 17. Jahrhundert ist nicht nur auf dem europäischen Festland, sondern
auch auf den britischen Inseln eine unruhige und kriegerische Zeit.
Zwar hat England seine großen Religionskonflikte schon unter den Tudors
Henry VIII, Mary und Elizabeth in der zweiten Hälfte des 16.
Jahrhunderts intern ausgefochten (im Detail nicht weniger grausam als in
anderen Ländern), doch mit der Absetzung (und Enthauptung 1649) von Charles I
beginnt eine Ära grausamsten Bürgerkriegs in England und Irland. Die an
Cromwells Sieg anschließende Zeit des „Commonwealth“ und der
Vorherrschaft puritanisch geprägter Glaubensauffassungen ist eine
äußerlich sehr musikfeindliche Epoche: Kirchenmusik ist mehr oder
weniger unerwünscht und ein öffentliches Musikleben findet praktisch
nicht statt. Musizieren wird zu einem privaten (und nahezu im Geheimen
ausgeübten) Vergnügen an der Grenze des Lasterhaften. In dieser
Situation bleibt das häusliche Spielen auf einem Tasteninstrument eine
der wenigen Möglichkeiten, sich an Musik zu erfreuen.
Dies ändert
sich erst wieder mit der Thronbesteigung Charles’ II 1661; obwohl nach
dessen Tod immer wieder Erbfolgekonflikte ausbrechen, hat sich unter
seiner Regierung das kulturelle Leben stabilisiert. Doch das spätere
Urteil über England als ein „Land ohne Musik“ hat – trotz einiger
Ausnahmeerscheinungen wie Henry Purcell – seine Wurzeln in den
Ereignissen des 17. Jahrhunderts.
Wie der Großteil der deutschen Länder und Städte wird auch Nürnberg von
dreißigjährigen Krieg schwer heimgesucht. Von der Entvölkerung -
zwischen 1618 und 1648 kommen in manchen Gegenden mehr als ein Drittel
der Bewohner ums Leben – erholt sich Mitteleuropa nur sehr langsam. Und
gerade die alten Handelsmetropolen wie Nürnberg und Augsburg erlangen
danach nie mehr die alte Bedeutung.
Dennoch spielt Nürnberg im
17. und 18. Jahrhundert im Kulturleben noch einmal eine bedeutende
Rolle. Komponisten wie Pachelbel oder dessen Schüler Leffloth bezeugen
das hohe Niveau der dort beheimateten Tastenkunst. Und eine wichtige
Komponente aller Klaviere kommt jahrhundertlang aus Nürnberg: die
Saiten. Die Kunst des Metalldrahtziehens wird in Nürnberg wesentlich
verbessert (Erfindung der mechanischen Ziehbank um die Wende zum 16.
Jahrhundert) und ist grundlegend für die Verwendung von Saiten aus
Messing und anderen Metallen in Klavieren.
Frankreich geht aus dem dreißigjährigen Krieg deutlich gestärkt hervor.
Die absolute französische Monarchie unter dem „Sonnenkönig“ Louis XIV
gilt in vieler Hinsicht als das Vorbild für ganz Europa auch auf vielen
kulturellen Gebieten: So wie sich danach viele kleine europäischen
Fürsten ihr persönliches „Klein-Versailles“ erbauen lassen, eifern sie
in allen Bereichen repräsentativer Hofhaltung dem französischen Hof
nach. So entstehen bald in vielen Residenzen Europas Hoforchester nach
dem Muster von Lully in Paris.
Auch auf dem Gebiet der Musik für
Tasteninstrumente setzt Paris ästhetische Maßstäbe. Das Vorbild der
Cembalosuiten der Familie Couperin wirkt weit bis ins nachfolgende
Jahrhundert. Von der Mitte des 17. Jahrhunderts an „herrschen“ in der
Musik zwei Stile, der italienische und der französische; und auf dem
Gebiet der Musik für Tasteninstrumente überall (außer in Italien) nur
noch einer. Und so komponieren Purcell, Händel, Bach usw. in der Regel
nach französischen Stilvorgaben für Cembalo.
Die Hauptstadt des mächtigen Habsburgerreiches, in dem (vor der Trennung
des Hauses Habsburg in eine spanische und eine österreichische Linie)
„die Sonne nicht untergeht“, wird selbst über Jahrhunderte von den
osmanischen Türken bedroht, deren Eroberungszüge in Südosteuropa mehrere
Male erst vor den Toren Wiens ein Ende finden (zuletzt 1683). Wien wird
im 17. Jahrhundert ein kultureller Mittelpunkt für den katholisch
gebliebenen Teil Europas.
Die Bedeutung Wiens als Heimat bedeutender
Klavierkomponisten beginnt nicht erst mit der „Wiener Klassik.“ Im 17.
Jahrhundert lebt und wirkt hier einer der bedeutendsten
Klavierkomponisten, Johann Jacob Froberger, der die Traditionslinien der
italienischen (Frescobaldi) und deutschen (Sweelinck und dessen
Schüler) Klavierkomposition zusammenführt und an seine Nachfolger in
Wien (Poglietti, Kerll u.a.) weitergibt.
Nach dem Dreißigjährigen Krieg wird in der Reichsstadt Augsburg die
„Parität“ zwischen Katholiken und Protestanten festgeschrieben: jedes
öffentliche Amt ist doppelt mit je einem Vertreter der Konfessionen
besetzt, von den Bürgermeistern bis hin zu den Amtsschreibern. Die
Niederlassung eines Handwerkers in der Stadt ist ein dementsprechend
aufwendiges Verwaltungsverfahren, mit Beratungen, Stellungnahmen und
Gutachten von beiden Seiten, doch andererseits bietet sich hier durch
das enge Zusammenleben der Bekenntnisse die Möglichkeit der Begegnung
und des Austausches zwischen den beiden ansonsten auch territorial
streng voneinander getrennten Konfessionen.
Johann Andreas Stein
ist nach seiner Übersiedlung nach Augsburg um 1750 bald eine der
Attraktionen der Stadt. Kaum ein Musiker von Rang versäumt es ihn
aufzusuchen, wenn er durch die Reichsstadt Augsburg kommt. Mozart
besucht ihn 1777, Beethoven zehn Jahre später. Die zahlreichen Schüler
Steins verpflanzen den Klavierbau auch in andere Städte Süddeutschlands.
Steins Tochter Nanette verlagert nach dem Tod des Vaters den Betrieb
in die aufblühende Klavierbaumetropole Wien.
Ein bürgerlich-patrizischer Wohnraum des späten 18. Jahrhunderts ist auf diesem Familienbildnis des Malers Johann Jacob Burckhardt von 1775 aus Basel abgebildet. Besonders bemerkenswert ist hier die Situation am rechten Bildrand: Musik ist eine Aktivität der heranwachsenden Kinder. Die Tochter spielt Klavier (hier ein typisches Querspinett der Zeit), der Sohn stimmt seine Violine. Die Szene ist eine Metapher für das „Zusammenstimmen“ mit zukünftigen Ehepartnern, die Musikausübung eine der gesellschaftlich gestatteten Gelegenheiten, bei der sich zukünftige Ehepartner „besserer Stände“ kennenlernen konnten, und auf die die Kinder durch Unterricht vorbereitet werden sollten.
Der Cembalobau in Deutschland vor 1700 hat nur wenige Zeugnisse
hinterlassen, vermutlich eine Folge des Dreißigjährigen Krieges. Der Bau
von Clavichorden und Cembali ist im deutschsprachigen Raum traditionell
ein Nebenerwerb der Orgelbauer, vermehrt ausgeübt zu Zeiten, in denen
sie mit Orgelbauten oder –reparaturen nicht ausgelastet sind. Nur in
wenigen besonders prosperierenden Städten können sich nach 1700 Betriebe
etablieren, die auf die Herstellung von Cembali spezialisiert sind, wie
in der nach dem Dreißigjährigen Krieg rasch wachsenden Hauptstadt
Preussens, Berlin, oder der Hansestadt Hamburg dank der
Nähe insbesondere zu Skandinavien. Die Cembali der Familie Haas/Hass,
der Fleischer und von Christian Zell heben sich durch ihre eigenwillige
Bauart, Dekoration und Disposition von den übrigen deutschen
Instrumenten der Zeit deutlich ab und verraten die Bestimmung für eine
wohlhabende Kundschaft.
In Berlin zieht die Musikliebe einiger
Hohenzollern (vor allem Friedrich II und seine Schwester Prinzessin Anna
Amalie von Preußen) die bedeutendesten Vertreter jener Komponisten an,
in deren Schaffen sich der Stilwandel in der Mitte des 18. Jahrhunderts
vollzieht, die Brüder Graun, die Benda, Carl Philipp Emanuel Bach als
Hofcembalist oder den Flötisten Johann Joachim Quantz, den Lehrer
Friedrichs. Entsprechend floriert auch der Instrumentenbau und bringt
Spitzenleistungen hervor, ob nun in Gestalt der Querflöten von Kirst
oder der Cembali von Mietke, die in den Berliner und Potsdamer
Schlössern nicht weniger zahlreich vorzufinden waren als die
Hammerklaviere Silbermanns.
Dresden wird unter August dem Starken, Kurfürst von Sachsen und König von Polen zu einer der schönsten Städte Europas. Die berühmten barocken Prachtbauten besitzen ihre Entsprechung in der Qualität des Dresdener Hoforchesters, damals das vielleicht beste Orchester Europas. Doch Sachsens Blüte ist nicht von langer Dauer. Der Siebenjährige Krieg ruiniert das Land; doch noch der Niedergang Sachsens hat weitreichende kulturelle Konsequenzen.
Der in dieser Blütezeit wirkende Gottfried Silbermann ist nicht nur einer der bedeutendsten Orgelbauer des 18. Jahrhunderts (Hauptwerke: Dresden Frauenkirche 1732-36, leider beim Wiederaufbau nicht rekonstruiert und Hofkirche 1750-54, posthum vollendet; Mozart über diese: „Es sind über die Maßen herrliche Instrumente“), sondern auch mit seinen Nachbauten des Pianofortes von Cristofori eine der Schlüsselfiguren für die Verbreitung und allmähliche Durchsetzung des Hammerklaviers. Seine Klaviere werden vor allem in Berlin sehr geschätzt, denn er liefert deren etwa 15 an Friedrich II, der in jedem seiner Schlösser in Berlin und Potsdam mindestens einen Silbermann-Flügel aufstellen lässt (die meisten im 2. Weltkrieg zerstört). Doch noch bedeutsamer für die „Erfolgsgeschichte“ des Pianofortes sind die zahlreichen Schüler Silbermanns wie die „12 Apostel“ in London (und unter ihnen vor allem Johann Christoph Zumpe), die Mitbegründer des englischen Klavierbaus.
Die Thronbesteigung des Hauses Hannover 1714 markiert das Ende der dynastischen Konflikte in Großbritannien (von der Episode des unglücklichen „Bonnie Prince Charlie“ 1745 abgesehen) und den Beginn einer rasanten Entwicklung, die das Vereinigte Königreich - trotz des Verlusts der 13 nordamerikanischen Kolonien 1776 - zur Weltmacht aufsteigen lässt.
London wird zur Weltmetropole – und zu der Stadt, in der mit Abstand die höchsten Gagen bezahlt werden. Händels Beispiel folgen unzählige europäische Musiker bis hin zu Johann Christian Bach und Joseph Haydn – eine geplante zweite Konzertreise Mozarts hat dessen früher Tod verhindert. Aber englische Musiker sind in London eine Seltenheit – der Beruf des Musikers gilt als nicht eben standesgemäß. Doch die europäischen Virtuosen finden eine florierende Konzertlandschaft vor mit besten Bedingungen, nicht zuletzt dank der überwiegend von Immigranten aufgebauten „Musikindustrie“ mit Spielstätten, Konzertveranstaltern, Musikverlagen und Instrumentenbauern aller Branchen.
Die evangelische Reichsstadt inmitten des katholischen Baiern ist bis 1806 ständiger Sitz des „Immerwährenden Reichstags“, eines Konvents der Territorien und Reichsstände innerhalb des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation. Dieser zieht fortwährend Gesandtschaften in die Stadt, die zeitweilig oder auf Dauer in Regensburg Quartier beziehen.
Dies förderte offensichtlich die Ansiedlung von Klavierbauwerkstätten nachhaltig. Die wichtigsten Repräsentanten des Regensburger Klavierbaus, die Firma „Späth und Schmahl“ wurden vor allem durch den Tangentenflügel weithin bekannt. Regensburg ist eine der frühesten Klavierbaumetropolen im modernen Sinne, die überwiegend auf den Export der Instrumente ausgerichtet ist. Noch im frühen 19. Jahrhundert exportieren Regensburger Klavierbauer ihre Instrumente nach Italien, Russland, Amerika und in die übrigen deutschen Staaten.
Für Straßburg wird das Jahr 1648 zu einem entscheidenden Jahr der Wende: Die vordem Freie Reichsstadt wird am Ende des Dreißigjährigen Krieges Frankreich zugesprochen. Die Stadt und ihr Umland werden so noch mehr als zuvor zu einem Zentrum der gegenseitigen Kulturvermittlung „über den Rhein hinweg.“ Da Straßburg selbst sich schon sehr früh der Reformation angeschlossen hat, wird die Stadt zu einem wichtigen Anziehungspunkt für Protestanten von beiden Ufern des Rheins.
Im 18. Jahrhundert steht ein Name stellvertretend für die enge Verflechtung deutscher und französischer Musikkultur im Elsass: Silbermann. Der Begründer der Orgelbau-Dynastie Silbermann, Andreas S. aus Kleinbobritsch in Sachsen, lässt sich um 1700 in Straßburg nieder. Von diesem Zeitpunkt bis weit ins 19. Jahrhundert prägt sein spezifischer Orgelbaustil die heute noch in ganz Europa berühmten Elsässer Orgeln jener Zeit. Für den Klavierbau bedeutender sind sein jüngerer Bruder Gottfried (>Dresden) und sein Sohn Johann Andreas S.; obwohl alle genannten auch Cembali und Clavichorde hergestellt haben, ist Gottfried Silbermanns Versuch, Cristoforis „Gravecembalo col piano e forte“ nachzubauen, der Auslöser für die Herstellung von Hammerklavieren nördlich der Alpen.
Drei Generationen sind auf dem Familienportrait des Basler Malers Sebastian Gutzwiler von 1849 um einen Tisch versammelt. Das Klavier (ein typisches Tafelklavier der Epoche) steht nahe am Tisch, gespielt von der Ehefrau, der Maler selbst dahinter spielt die Violine, der älteste Sohn Querflöte, die älteste Tochter (mit dem Rücken zum Betrachter) Violoncello. Hausmusik verbindet die Generationen der Familie. Lediglich die Großeltern und die jüngsten Kinder sind anderweitig beschäftigt; doch indem der Großvater die kleineren Kinder zur Ruhe ermahnt, bekommt die Musik eine weitere Bedeutung als eine Aktivität, die auch von denjenigen, die daran nur passiv Anteil haben, Achtung und Konzentration verlangt. Nur der Hund als „unvernünftige Kreatur“ bleibt davon ungerührt.
Preußen geht aus den Napoleonischen Kriegen mit einem Führungsanspruch
unter den deutschen Staaten hervor. Die Expansion Preußens im 18. und
19. Jahrhundert rückt Berlin in die Reihe der bedeutenden Städte
Europas.
Dennoch kann sich das Berliner Musikleben nicht mit
Paris, London oder Wien messen. Die althergebrachten Institutionen
höfisch-repräsentativer Musikpflege wie Hofkapelle, Hofoper etc. ziehen
nicht mehr wie noch zu Zeiten Friedrichs II die führenden
Musiker der Zeit (wie einen Carl Philipp Emanuel Bach) nach Berlin. Die
Machtrepräsentation im 19. Jahrhundert bedient sich nicht mehr der Musik
und anderer Künste, sondern der Wissenschaft, der Technik und des
Militärs. Dies ist an der eher untergeordneten Bedeutung des Berliner Klavierbaus –
gemessen an den anderen europäischen Metropolen – abzulesen: Das
bedeutendste Erzeugnis der Berliner Betriebe der Zeit ist der
„Lyraflügel“ von Schleip – fürwahr, ein dekoratives Modell eines
aufrechtstehenden Hammerflügels, aber kein „Spitzenerzeugnis“ des
Klavierbaus.
Das erste Jahrhundert der Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten von
Amerika ist geprägt von einer Bevölkerungszunahme, die zu schnellem
Wachstum vor allem der Großstädte des Nordens führt. New York, Chicago,
Philadelphia oder Minneapolis wachsen bedeutend schneller als die Städte
in den südlichen Gründungsstaaten der USA, Virginia, Georgia oder den
Carolinas. Sie entwickeln sich oft binnen weniger Jahrzehnte zu
Industrie- und Dienstleistungszentren für das gesamte Land. Insbesondere
New York und Chicago, ersteres der Haupthafen der Ostküste, letzteres
der Hauptstandort der Lebensmittelindustrie, ziehen einerseits den
Großteil der Einwanderer in die „Neue Welt“ an, entwickeln sich
andererseits zu den „Metropolen des Geldes“ für den gesamten Kontinent.
Chicago
wird auch die bedeutendste amerikanische Klavierbaustadt. Einen
entscheidenden Beitrag dazu liefert Jonas Chickering, der eine der
ersten modernen arbeitsteilig strukturierten Klavierfabriken aufbaut.
Sein Beitrag zur Klavierentwicklung - die Entwicklung des gusseisernen
Ganzmetallrahmens – markiert den „Anfang vom Ende“ der handwerklichen
Klaviererzeugung, denn die Herstellung solcher Metallkonstruktionen
übersteigt die Möglichkeiten des einzelnen Handwerkers bei weitem.
England erweist sich während und nach der Französischen Revolution als naheliegende Zuflucht für Emigranten ebenso wie als aufstrebende Weltmacht, die sich der Expansion Frankreichs unter Napoleon zu widersetzen vermag. Während der Kontinentalsperre vom europäischen Festland weitgehend abgeschnitten, beliefern englische Werkstätten und Fabriken den Weltmarkt in Übersee, dessen wirtschaftliche Bedeutung im 19. Jahrhundert stetig wächst. Nach der Niederlage Napoleons bei Waterloo festigt England seine Führungsrolle und weitet seine kolonialen Besitzungen aus. Den Entwicklungsvorsprung der englischen Industrie (erreicht durch die Entwicklung der Dampfmaschine, der Eisenbahn, der modernen Stahlherstellung, Textilmaschinen usw.) holen die übrigen europäischen Nationen erst mit erheblicher Verzögerung ein.
Die politische Neuordnung Mitteleuropas zuerst durch Napoleon, die
anschließend durch den Wiener Kongress teilweise bestätigt, teilweise
revidiert wird, verändert nicht nur die politische, sondern auch die
kulturelle Landschaft. Alte Reichsstädte werden neuen Flächenstaaten
zugeschlagen, geistliche Herrschaften verschwinden und Grenzen werden
neu gezogen. Die Hauptstädte der neuformierten Staatsgebilde wachsen zu
neuen Verwaltungs- und später Industriezentren heran, andere, die diesen
Status verlieren, versinken in den Dornröschenschlaf der Provinz.
Die
politische Zersplitterung Deutschlands ermöglicht immerhin, dass sich
neben dem immer mächtiger werdenden Preußen kleinere kulturelle Zentren
etablieren können, wie die Hauptstädte der Königreiche Württemberg und
Bayern, Stuttgart und München. Für manch „gewesene Hauptstadt“ wie etwa
die ehemaligen geistlichen Residenzen Würzburg oder Mainz beginnt jedoch
nach 1800 ein allmählicher Niedergang. Die Ansiedlung von Klavierbauern
in dieser Zeit lässt solche Entwicklungen erkennen. Die Verteilung der
Generation von Steins Schülern und Nachahmern ist nach 1810 noch
annähernd gleichmäßig, mit Betrieben z.B. in Stuttgart (Schiedmayer),
München (Dulcken, Deiß), Würzburg (Pfister), Weimar (Schenck) oder Mainz (Schott). Doch im
weiteren Verlauf konzentriert sich das Gewerbe überwiegend auf die
neuen Residenzen. Die handwerklichen Klavierbauer „in der Provinz“
führen ein Schattendasein – doch selbst unter solchen kann es noch zu
Ausnahmebegabungen kommen wie etwa im Falle der Familie Schlimbach in
Königshofen im Grabfeld.
Nach Revolution und napoleonischer Herrschaft büßt Frankreich seine
politische, wirtschaftliche und kulturelle Vormacht in Europa weitgehend
ein. Innere Unruhen wie die Revolutionen von 1830 und 1848
destabilisieren das Land zusätzlich. Frankreich isoliert sich mehr und
mehr von den Nachbarländern und beginnt seinerseits im Wettlauf mit
Großbritannien den Ausbau eines Kolonialreiches vor allem in Nord- und
Westafrika. Die Hauptstadt Paris bekommt durch die umfangreiche
Stadterneuerung von Haussmann ihr modernes Gesicht.
Das
Konzertleben in der französischen Hauptstadt ist maßgeblich von einigen
wenigen Institutionen wie der Oper und dem Conservatoire sowie den
Aktivitäten der beiden führenden Klavierfirmen Erard und Pleyel geprägt,
die jeweils eigene Konzertsäle betreiben und miteinander in stetem
Wettstreit stehen. Durch ihre Aktivitäten, die renommiertesten Pianisten
an sich (und ihre jeweiligen Produkte) vertraglich zu binden, ist die
Zahl und Qualität der öffentlichen Klavierkonzerte im Paris jener Epoche
vielleicht höher als irgendwo sonst.
Die Metropole des habsburgischen Vielvölkerstaates ist eines der
Machtzentren Europas; der Wiener Kongress 1815, der dem
nachnapoleonischen Europa eine einigermaßen stabile Friedensordnung
verschafft, beendet die Jahrhunderte währende Rivalität mit Frankreich.
Die Habsburgermonarchie versucht die Nachfolge des zerfallenden
Osmanischen Reiches in Südosteuropa anzutreten, was bald neue Konflikte
in Europa heraufbeschwört. Doch die Ausstrahlung Wiens ist in allen
Teilen Österreich-Ungarns spürbar. Selbst in den entfernteren
Kronländern entsteht ein „Klein-Wien“ nach dem anderen, ob in Laibach
(Ljubljana), Triest, Prag, Lemberg (Lwiw) oder Czernowitz.
Das Wiener
Musikleben ist allerdings nach dem Tode Beethovens (und Schuberts) auf
dem Weg hin zur „leichten Muse.“ Nicht mehr die neuesten Sinfonien oder
Klaviersonaten faszinieren das Publikum, sondern der Wiener Walzer, der
nach 1815 zum Modetanz einer ganzen Epoche wird und seine führenden
Komponisten wie die Familie Strauß oder Joseph Lanner auf der ganzen
Welt bekannt macht.
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