Musikinstrumente sind ein Übergang, eine Materialisierung eines geistigen, inneren Vorgangs. Sie sind Mittler von einer Innenwelt zu einer anderen Innenwelt. Sie öffnen durch ihr Stoffliches den Zugang zu einer Welt des Unanschaulichen. In ihnen begegnen wir einer technischen Durchdringung des Immateriellen, weil sie durch ihren Klang, ihre harmonische Struktur, den Zugang öffnen zum zartesten, was die Seele birgt.
Komplexe und aufwendige Instrumente wie die Orgel geben einen Blick frei auf die tiefsten Momente zwischenmenschlicher Kommunikation. Das Ziel dieser großen Instrumente ist das Berühren der Seele, ihr Ziel ist im kirchlichen Kontext das Erheben der Herzen zum Herrn. Diese gewaltige Aufgabe meistert die Orgel mit einer Fülle von technischen Vorkehrungen, die sie zu einem lebendigen Teil des Heilsgeschehens macht.
Dies jedenfalls ist der Kontext, in dem dieses Instrument über viele Jahrhunderte steht. Aus der Antike wissen wir, dass der Hydraulos, eine Orgel, die das Problem des kontinuierlichen Windstroms durch Wasserverdrängung in korrespondierenden Windkesseln im Unterbau löst, zu den die Massen betörenden Erscheinungen circensischer Darbietungen gehörte. Dies war ein erster gelungener Schritt zur Mechanisierung eines musikalischen Erlebens, das sonst nur durch den Einsatz einer ganzen Reihe von Musikern möglich wurde. Die Mechanisierung steigert hier also nicht nur die Effizienz der einzusetzenden Mittel, vielmehr wird das Klangereignis durch seine Beherrschung durch eine einzelne Person in seiner Wirkung enorm gesteigert. Über technische Einzelheiten dieser Instrumente wissen wir zu wenig, es mag aber genügen sich über die Effizienz zu erstaunen, mit der das Problem des kontinuierlichen Windstroms gelöst wird.
Im christlichen Abendland begegnen wir der Orgel etwa im 8. Jahrhundert wieder, jetzt in einer transportablen Form als Instrument mit Blasebälgen und Schiebern für das Ansteuern der Töne. Zum Begleiten des Gesangs und als Mittel, diesem im so genannten Orgelpunkt Orientierung und Richtung zu geben, ist dieses Instrument ideal geeignet. Auf einer Steuereinheit, der Windlade, stehen eine oder mehrere Pfeifen in einer Reihe, Töne die zusammen klingen sollen hintereinander, Tonfolgen nebeneinander. Über den Blasebalg wird Winddruck in die Windlade geleitet, bis ein Schieber geöffnet wird, der den Luftstrom für hintereinander stehende Pfeifen öffnet. Einzeln oder, wenn mehrfach angeordnet, erklingt nun ein Ton oder ein ganzer Akkord.
Das Instrument hat die ausschließliche Aufgabe den Gesang bestens geschulter Musiker zu ordnen und mit dem lang anhaltenden Klang der Pfeifen zu verfeinern. So weit wir wissen, war diesem wunderbaren Klangereignis mehr als fünf Jahrhunderte nichts hinzuzufügen. Instrument und musikalische Idee waren offenbar eine vollkommene Einheit geworden. Erst am Ende des 14. Jahrhunderts kommt eine musikalische Idee immer mächtiger zum Tragen, die zu neuen Formen führt. Mehrstimmigkeit verändert den Raum musikalischen Geschehens, das zu einer in sich ruhenden Idee gewordene Instrument Orgel begegnet einer neuen Herausforderung. Die Idee des Klangkörpers ist über die Jahrhunderte zum etablierten Bestandteil spirituell musikalischen Geschehens geworden. Die Spiritualität zu bewahren, diese aber der neuen Kraft der mehrstimmigen Musik zu erschließen gelingt am Ende des 14. Jahrhunderts.
Bisher hatten Schieber die hintereinander liegenden Tonfolgen geöffnet, diese wurden nun ersetzt durch belederte Holzteilchen, die als Ventile wirkend dem Druck der Finger gehorchen. Damit war das Instrument für die Mehrstimmigkeit erschlossen. Nun mag die spirituelle Wirkung derart begeistert haben, dass immer größere Instrumente dieser Art gebaut wurden. Je größer aber die Pfeifen wurden, um so mehr wurde das ergonomische Spiel eingeschränkt. Die gerade im Baßbereich weiter auseinander liegenden Ventile bedurften einer Annäherung zu einem gleichmäßigen Abstand der nun ausgebildeten Tasten. Drehbar gelagerte Holzleisten mit einem Ärmchen an jedem Ende waren die Lösung dieses technischen Problems. Mit dieser effizienten Hebelanordnung konnte die Ansteuerung des Ventils an fast jeden beliebigen Platz gelegt werden. Die Tastenabstände wurden gleichmäßig über die Klaviatur verteilt, die Ergonomie eines ausdrucksvollen Spiels durch diese Hebel ermöglicht. Die Idee des durch einen gleichmäßigen Luftstrom mechanisierten Instruments mit enormer spiritueller Ausstrahlung und Kraft konnte nun neue Wirkungen entfalten.
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