Stein und die deutsche Mechanik

Hammerflügel von Johann Andreas Stein, Augsburg 1782
München, Bayerisches Nationalmuseum

Mit Johann Andreas Steins Instrumenten begann sich das Pianoforte zu emanzipieren; er hatte mit seiner Mechanik alle Probleme der älteren Modelle gelöst und ein Instrumentenmodell geschaffen, das einen eigenen Klangcharakter hatte und zuverlässig war. Er bildete das Vorbild für die nachfolgende Klavierbauergeneration.


Échantillon musical:
Ausschnitt aus W.A. Mozart: Sonate in D-Dur KV 311,
Rondeau: Allegro
gespielt von Ludwig Sémerjian
Instrument:
Hammerflügel von Johann Andreas Stein, Augsburg 1788
(Germanisches Nationalmuseum)

 

Ohne Johann Andreas Stein (1728-1792) wäre die Geschichte des Pianofortes vielleicht nie so erfolgreich verlaufen. Denn in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts gab es eine ganze Reihe von Tasteninstrumenten, die die „Spezialität“ des Pianofortes – die Darstellung verschiedener Grade der Lautstärke – ebenfalls ermöglichten. Neben dem „Gravicembalo col piano e forte“ von Cristofori und seinen Nachahmern (Silbermann und andere) entstand beispielsweise das Cembalo mit Schwellvorrichtung (von Shudi & Broadwood), das Tangentenklavier (von Franz Jacob Späth und Christoph Friedrich Schmahl), das „Cembal d’amour“ (trotz des Namens kein Cembalo, sondern eine Sonderform des Clavichords) und weitere, heute oft nur noch dem Namen nach bekannte Erfindungen.

Johann Andreas Stein war wie Silbermann gelernter Orgelbauer. Nach seiner Niederlassung in Augsburg begann er, mit Saitenklavieren zu experimentieren. Er gilt als Erfinder der deutschen, später so genannten „Wiener“ Mechanik, bei der der Hammer auf dem Hinterende der Taste selbst angebracht ist. In einer (zuerst hölzernen) Kapsel gelagert, besitzt jeder Hammer an seinem Stielende eine vorspringende Nase. Beim Niederdrücken der Taste bewegen sich Kapsel und Hammer nach oben. Dabei stößt die Nase an eine „Prellleiste“ (daher auch „Prellmechanik“) und verfängt sich zunächst. Das andere Ende des Tastenhebels mit dem Hammer wird in Drehung versetzt und schlägt an die Saiten. Gleichzeitig gleitet die Nase unter der Leiste hervor (das „Auslösen“ des Hammers), und der Hammer fällt auf die Taste zurück. Eine erste Verbesserung Steins war das Zerlegen dieser Leiste in lauter einzelne hakenförmige Prellglieder, die, mit Federn versehen, das Auslösen des Hammers noch beschleunigten („bewegliche Auslösung“). Die Mechanik war sehr leichtgängig und bot bei geringem Tastendruck und -tiefgang ein breites Spektrum an Differenzierungsmöglichkeiten im Spiel.

Animation der Mechanik nach Johann Andreas Stein

 
 

Stein und die deutsche Mechanik: Film en allemand


Stein wurde zunächst durch eine andere seiner Erfindungen berühmt, den „Vis-à-vis“-Flügel. Dies war ein Doppelinstrument, bestehend faktisch aus zwei Flügeln (ein Cembalo und ein Pianoforte), aneinandergebaut an ihren Hinterenden. Es konnten sich zwei Spieler gegenübersitzen, das Pianoforte konnte aber über einen aus dem Orgelbau abgewandelten Verbindungsmechanismus auch von der Cembaloseite aus gespielt werden. Nur zwei dieser Instrumente sind erhalten.

1777, im selben Jahr, als Stein seinen „Vis-a-vis“-Flügel für die berühmte Accademia Filarmonica in Verona erbaute, bekam er im Oktober Besuch von einem jungen Mann, der sich auf einer seiner Kunstreisen durch Europa befand und auf dem Weg seine Verwandten in der Heimat seiner Familie besuchte: Wolfgang Amadè Mozart. Mozart schrieb am 17. Oktober begeistert an seinen Vater Leopold: „Ehe ich noch vom stein seiner arbeit etwas gesehen habe waren mir die spättischen Clavier [die Instrumente von Franz Jacob Späth in Regensburg] die liebsten; Nun muß ich den steinischen den vorzug lassen ...“

Der Höhepunkt von Mozarts Zusammentreffen mit Stein war zweifellos eine Aufführung seines Konzerts für drei Klaviere und Orchester KV 242 mit dem Augsburger Domorganisten Johann Michael Demmler, ihm selbst und Stein als Solisten auf drei von Stein gerade fertiggestellten Hammerflügeln. Während Mozart offenbar vor seinem Augsburger Besuch seine Klavierwerke wohl eher für Cembalo, Clavichord oder Tangentenflügel konzipierte, bildete seitdem das Pianoforte seine Idealvorstellung vom Klavier als Konzertinstrument.


 
 
 

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