Die Grundmuster der italienischen Orgelprospektgestaltung bildeten sich bereits im Laufe des 16. Jahrhunderts heraus und blieben bis weit ins 19. Jahrhundert gültig. Es gab dabei durchaus einige regionaltypische Unterschiede: der „römische“ Prospekt (verbreitet im ehemaligen Kirchenstaat; heutiges Mittelitalien), dessen Muster etwa an der Orgel von Rom, S. Spirito in Sassia erkennbar ist (Entwurf Antonio da Sangallo oder Andrea Palladio zugeschrieben), lehnt sich an die Gestaltung eines antiken römischen Triumphbogens an und geht zurück auf den Traktat Architettura von Sebastiano Serlio. Nach ihm trägt dieses Architekturelement aus zentralem Rundbogen, flankiert von zwei rechteckigen Öffnungen, auch die Bezeichnung Serliana, die typische Prospektgestalt römischer Orgeln. Der venezianische Prospekt in Venedig und seiner Terra ferma (heutiges Nordostitalien/Veneto, Julisch-Venetien) zeigt dagegen meist ein einziges Pfeifenfeld in einem Rundbogen.
Grundsätzlich sind in Italien flache Fassadenprospekte typisch. Die Prospektpfeifen stehen alle in einer Front in wenigen, nach oben meist mit einem Rundbogen abgeschlossenen Pfeifenfeldern. Das Gehäuse bildet in der Regel einen homogenen Baukörper, dessen Schauseite als ein Architekturelement (wie der erwähnte „Triumphbogen“ oder auch eine in mehrere Stockwerke gegliederte Kirchenfassade) behandelt wird. Der innere technische Aufbau der Orgel hatte auf die Gestaltung des Gehäuses kaum Einfluß; da aber viele italienische Orgeln ohnehin lediglich aus einem einzigen Manualwerk mit wenigen zusätzlichen Pedalregistern bestanden, gab es hierzu auch kaum Anlaß.
Auch im Klangaufbau unterscheiden sich italienische Instrumente deutlich von denen der transalpinen Nachbarn. Eine italienische Orgel besitzt eine Vielzahl von Prinzipalregistern aller Fußlagen vom 8’, in großen Instrumenten vom 16’ an aufwärts bis über die 2’-Lage hinaus, vorzugsweise in einzelnen Pfeifenreihen. Prinzipalregister in 1’-, ½’- oder gar ¼’-Lage, die in anderen Ländern kaum vorkommen (allenfalls innerhalb gemischter Stimmen wie Mixtur oder Zimbel) sind in Italien keine Seltenheit. Diese Register können allerdings nicht bis zur Obergrenze der Klaviatur durchgeführt werden, sondern repetieren immer beim Erreichen des klingenden Tons c5 (der traditionelle „Plafond“ der Orgel). Ansonsten haben italienische Orgeln nur wenige weitere Register: häufig kommt eine schwebend gestimmte Prinzipalreihe vor („Voce umana“ oder „Fiffara“ genannt), dazu etwa bis zu drei Flötenregister, eines davon als Quintregister. Eine Trompete („Tromba“) oder andere Zungenregister oder eine Streicherstimme gehören bereits zu den ausgesprochenen Seltenheiten. Bis auf wenige Ausnahmen besaßen italienische Orgeln lediglich ein Manual; das Pedal war meist nur angehängt oder besaß allenfalls einen gedackten 16’ als eigene Stimme, um den gelegentlichen darauf ausgehaltenen Baßtönen mehr Volumen zu verleihen.
© Greifenberger Institut für Musikinstrumentenkunde | info@gimk.org