Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrter Herr Vorredner,
mir bleibt nun die ehrenvolle Aufgabe, Ihnen die Restaurierung dieses Hammerflügels zu erläutern. Zu Anfang etwas zu meiner Methode: Ich bemühe mich, in meiner Werkstatt nichts falsch zu machen. Dies sei, als uns alle verbindender Allgemeinplatz, einfach einmal so gesagt. Sich diesem Anspruch zu stellen, bedeutet letztlich, Instrumente in Ruhe zu lassen und die Spuren der Vergangenheit nicht zu berühren. Das Nicht-Berühren als eine der Möglichkeiten, unserer Verantwortung gerecht zu werden, darf tatsächlich nicht ausgeschlossen werden. Jeder Eingriff in ein überliefertes Instrument birgt die Gefahr des Scheiterns und die Gefahr der Vernichtung von Information. Aber nur der Eingriff mehrt unser Wissen, nur der tätige Umgang mit den im Instrument gegenwärtigen Informationen erlaubt uns, zu erkennen. Was es zu erkennen gilt, scheint mir viel.
Das im Instrument Verborgene ist vielfach bezogen auf sich selbst und auf die umgebende Zeit. Es ist mit diesen heute historischen Instrumenten Musik gemacht worden und sie haben Musik im Sinne ihres Klanges bestimmt. Die Musik ihrer Zeit bedurfte eines bestimmten klanglichen Elements, einer bestimmten Spielbarkeit. Das, was die Instrumentenbauer bieten konnten, entsprach Bedürfnissen und es konnte darüberhinaus, wenn neue Erfindungen gemacht wurden, Bedürfnisse schaffen. Dieses aufeinander Bezogene der Bedingungen und des Bedingten wird zum schwer interpretierbaren Bestandteil dessen, was ein historisches Instrument heute darstellt. Verschiedene Wege sind notwendig, um Einflüsse zu trennen, um begreifen zu können: Was will eine bestimmte Epoche, was ist ihr sozusagen einfach passiert. Wo ist der Zeitgenosse frei, wo gehorcht er dem Gegebenen. Weil es passend ist und weil es von einem Zeitgenossen des Flügels stammt, möchte ich als Einführung in meine Art der Restaurierung ein Zitat einfügen. Es stammt von Goethe aus seiner Betrachtung zur Meteorologie, wo es sich gleich zu Anfang als allgemeine Betrachtung findet: „Hier ist nun vor allem der Hauptpunkt zu beachten: daß alles, was ist oder scheint, dauert oder vorübergeht, nicht ganz isoliert, nicht ganz nackt gedacht werden dürfe; eines wird immer noch von einem anderen durchdrungen, begleitet, umkleidet, umhüllt; es verursacht und erleidet Einwirkungen, und wenn so viele Wesen durcheinander arbeiten, wo soll am Ende die Einsicht, die Entscheidung herkommen, was das Herrschende, was das Dienende sei, was voranzugehen bestimmt, was zu folgen genötigt werde? Dieses ists, was die große Schwierigkeit alles theoretischen Behauptens mit sich führt, hier liegt die Gefahr: Ursache und Wirkung, Krankheit und Symptom, Tat und Charakter zu verwechseln.“ Ein Weg, Tat und Charakter voneinander trennen zu können, scheint darin zu liegen, Wege der Herstellung genauer zu erkunden. Auch wenn es vielleicht etwas zu weit geht, doch bevor ich auf meine Tätigkeiten näher eingehe, glaube ich deutlich machen zu müssen, was mir diese Arbeit ist.
Gegenstände, die etwas so Unstoffliches transportieren wie Musik, ja die in der Lage sind Töne, ein bestimmtes Klangbild zu erzeugen, sind Mitteilungen eines Inhalts, der uns anders nicht vermittelt wird. Die Poesie, das Gedicht der Zeit, ist vielleicht das Einzige, was auf ähnliche Weise klingend zu uns spricht. Die geschriebene Musik und das Klangmedium der selben Zeit gleichzeitig wahrnehmen zu können, ist ein Geschenk der Unmittelbarkeit, die durch nichts zu ersetzen ist. Die Zeit, in der ein Instrument gültiges Mittel zur Darstellung feinster Seelenregungen ist, ist notwendig im Instrument vorhanden, sie ist ein Teil der Aussage des Instruments. Die Zeit wird im Äußeren des unberührten Instruments sichtbar. Das Äußere birgt bereits eine Fülle von Informationen, die nur darauf warten, verstanden, gelesen zu werden. Die Form, der Wille zur zeitbezogenen Schönheit bleibt auch bei einer Ruine sichtbar. Die Geschichte der Verletzungen macht deutlich, wie Geschichte – wie Zeit – über Gegenstände, die dennoch Dauer in sich tragen, hinweggeht. Es ist eine Poesie im verletzten Instrument, im gezeichneten Gegenstand einstmals schöner Form und reinen Klangs. Eine Poesie, die ich für eine durchaus vermittelbare, eben gegenwärtige halte. Das verletzte, das verlassene Instrument ist Ausdruck einer tief poetischen Struktur dessen, was ebenso Lebendiges wie der einstmals gewesene Klang in die Gegenwart unserer Zeit trägt. Es gilt mir, deutlich zu machen, daß Vergangenheit etwas ist, was als solches schon wesentlich genug ist. Wenn wir unser Herkommen als die Gegenwart der Vergangenheit begreifen, wird das Erkennen von Geschichte, vom Lauf der Zeit und ihren Spuren, tatsächlich vornehmster Gegenstand unserer Betrachtung und ein Moment der Erkenntnis.
Ich halte das historische Musikinstrument für eine Gelegenheit, Ebenen der Vergangenheitsforschung zu betreten, die einmalig sind. Dem geschriebenen Wort bleibt nur die Sprache, sie wird, wenn die Zeit lange genug darübergeht, am Ende unverständlich. Erstaunlich ist, wie verständlich Musik bleibt, wenn sie in der Form ihres Klanges geborgen ist. Aber ein Musikinstrument birgt noch mehr, es ist nicht nur der Ort eines bestimmten Klangs. Großinstrumente wie Hammerflügel, Cembalo oder Orgel bergen auch die Geschichte einer Technologie. Instrumente sind Produkte eines Handwerks, einer Kunst mit klaren Regeln. Die Ordnungsprinzipien dieser Kunst haben an Aktualität nichts eingebüßt, dies nicht erst seit dem Wiederauftreten, dem Historischen verpflichteter Klangpoeten. In vielen Fällen sind die Regeln der Kunst gleich geblieben. Nur das, was man seit dem 19. Jahrhundert Markt nennt, hat sich verändert. Das moderne Masseninstrument gehorcht Herstellungsprinzipien, die in der Rationalisierung, zum Zwecke des Zeitgewinns, eine ihrer wichtigsten Aufgaben sieht. Der Weg, der zum Instrument wird, scheint mir nicht dadurch unterschieden, daß ein anderes, besseres Instrument gesucht wird. Vielmehr wurde im Verlaufe des 19. Jahrhunderts und mehr noch am Beginn des 20. ein neuer Weg beschritten, der ein anderes Ziel der Herstellungsverfahren hatte. Rationalisierung im ausschließlich mit der Kraft des eigenen Körpers arbeitenden Betrieb hat notwendig nicht das wichtigste Ziel in der Zeitersparnis. Gesucht wird das Einsparen von Kraft, von Arbeit im ganz nüchternen physikalischen Sinn. Dieses klare und einfache Ziel kann sicher als eine der wichtigsten Grundregeln historischen Instrumentenbaus begriffen werden. Die geleistete Arbeit stellt einen Moment der Ruhe dar, die Arbeit ist getan, die Qualität wirkt in die kommende Zeit.
Die Klarheit der Vorgehensweise gebietet sich durch den zu großen Aufwand, den Kompliziertes verlangt. Lieber ist man an einer Stelle hoch präzise als an vielen Stellen nur halb. Es gibt an den Instrumenten der Vergangenheit, und genauso natürlich an denen der Gegenwart, Spuren des Gebrauchs und Spuren der Mißachtung, und es gibt darüber hinaus eben auch die Spuren der Herstellung. Spuren einer Bedingung des Arbeitens, die nicht mehr Bedingung des Arbeitens in unserer Zeit ist. Das bedeutet: Wir können in diesen Spuren der Tätigkeit dem Wirken eines Handwerkers begegnen. Uns begegnet in den Spuren seiner Arbeit der Einzelne, der sein Vermögen, mit Material umzugehen, in sein Werkstück gleichsam für alle Zeit eingegraben hat. Diese Spuren zeigen einen Arbeitsvorgang, das kann genauso unmittelbar sein, wie das Beobachten oder Ausführen einer Tätigkeit in der Gegenwart.
Das Analysieren der Spuren getaner Arbeit führt also zu einer Unmittelbarkeit des Erkennens. Ich denke, wir alle kennen dieses Erlebnis des Unvermögens, wenn an einem Werkstück das gesetzte Ziel gerade eben erreicht ist, wenn ebenso, gleichsam frei, ein Werkstück in Perfektion vollendet ist. Ein Instrument wie der hier betrachtete Hammerflügel ist aus vielen einzelnen Werkstücken zusammengestellt, hierbei kann die Kontinuität einer Hand, eines tätigen Handwerkers, in jedem Teil der geleisteten Arbeit sichtbar werden.
Um sich aber Gedanken über die Kontinuität der Arbeit machen zu können, muß geklärt werden, wie diese Arbeit beschaffen ist. Da die Vorgehensweise eines Handwerkers niemals isoliert ist, - sie ist immer durchdrungen von einem anderen, einem Herkommen, einer Tradition, die eventuell den Erfahrungen seiner Lehrzeit entstammen, den Erfahrungen, die beim Gelingen oder Mißglücken an anderen Werkstücken gemacht wurden, - wird es wesentlich, die Struktur, den Gang der Arbeit zu verstehen.
Wie wir alle, wie jeder Einzelne, ist das Einzelne nur scheinbar, ist der eigene Gedanke in der Selbständigkeit des Entstehens geprägt durch das vielfach Durchdrungene der eigenen Geschichte, dessen, was aktuell den Lauf der Zeit im Allgemeinen ausmacht. Dieses Allgemeine wird beim ausübenden Handwerker, und mehr noch beim gestaltenden Künstler, der sich oft genug an der Spitze einer Zeitströmung befindet, in seinen Handlungen sichtbar.
Im jetzt beschriebenen Umstand sehe ich eine Möglichkeit, eine Chance, in ein Begreifen vorzudringen, das scheinbar Vergangenes erkennbarer werden läßt.
Die Methoden, mit der die Regeln zur Anwendung gebracht werden, scheinen mir, neben den erforschbaren Bedingungen der jeweiligen Zeitströmung, ein Weg zu sein, in den Prozeß eines handwerklich Gestaltenden einzudringen, um Bedingungen klarer beurteilen zu können.
Das, wo mir eigenes Handeln, eigenes Verstehen möglich scheint, ist der Zwischenraum vom Rohstoff hin zum fertigen, klingenden Instrument. Im Raum zwischen der Idee zu einem Klangkörper und deren Umsetzung scheint mir neben der historischen Forschung als solcher die Methodenkunde ein wesentlicher Faktor des Verstehens.
Diesen Zwischenraum zu erkunden, war Ziel der folgenden Arbeit. Im Instrument stand das Ziel des Erbauers als Ruine vor uns. Es galt, den ursprünglichen Gedanken des als Werkstück zu betrachtenden Flügels zu verstehen, die Spuren der Zeitläufe und der Mißachtung von denen zu trennen, die als Spuren der unmittelbaren Arbeit vorhanden waren. Zuerst stand die Dokumentation des Vorhandenen im Vordergrund, und Ausgangspunkt der Überlegungen war, das Instrument als die Ruine zu erhalten, die es durch seine Geschichte geworden war.
Neben der fotografischen Dokumentation war der erste Schritt eine Untersuchung der vorgefundenen Saitenreste mit der verfeinerten Methode des Atomabsorptionsspektrometers. Auf die Ergebnisse und Schlußfolgerungen dieser Untersuchung werde ich später noch kurz eingehen.
Wegen der ungewöhnlichen Anlage der Mechanik, die nach meinem damaligen Wissen keine Parallele hatte, erschien das Instrument als so wertvoll, daß eine genaue Zeichnung der gesamten Anlage sinnvoll erschien.
Ein weiterer Grund für ein eingehendes Erforschen schien mir die Nähe, die der Flügel zu frühen Flügeln Anton Walters, in Mozarts Geburtshaus in Salzburg und in Eisenstadt, zu haben schien. Es gab doch viele Parallelen, die es erlaubten, zumindest den Verdacht, es hier mit einem bedeutenden Fund zu tun zu haben, zum Maß der folgenden Arbeit zu machen. Hier komme ich zum Anfang meines Vortrags zurück: Es gab diese Angst, diese Bedenken, etwas Falsches zu tun. Und es gab all die Bedenken, die gegen einen Eingriff in diese Verletztheit, in diese Spuren der Vergangenheit sprachen. Es war einfach der Verdacht da, es mit einem der wenigen Instrumente der Mozartzeit zu tun zu haben, und noch dazu mit einem, das relativ wenige Eingriffe in seine originale Substanz erlitten hatte, und es gab die Erfahrung, daß Rostspuren eine Möglichkeit bieten, mit besagtem Atomabsorptionsspektrometer Erkenntnisse zu erlangen, die vor wenigen Jahren noch unmöglich waren.
Es war da einfach die Frage, welche Spuren zerstört ein Eingriff, deren Analysemöglichkeit uns heute noch gar nicht vorstellbar ist. Nur war da auch der anfangs erwähnte Moment, daß nur tätiger Umgang mit Historischem einen Einblick, ein Erwerben von neuen Erkenntnissen erlaubt.
Wir bemühten uns, zunächst einmal technische Zeichnungen des Instruments zu erstellen, deren Genauigkeit es erlauben sollte, die Substanz des Instruments überall gleich beurteilen zu können. Da wir diese Form der Sicherung von Befundsituationen schon öfter vorgenommen hatten, konnten wir versuchen, Pläne in einer Toleranzgenauigkeit von 0,3 mm herzustellen. Unsere Zeichnung, die zur Verfügung steht, gibt alle Verzerrungen jenes Zustandes wieder, in dem das Instrument auf uns kam. Die Vielzahl der verzogenen Linien an den Holzteilen waren ein Faktor, der die Arbeit in eine unendlich lange Zeit zu dehnen schien.
An dieser Stelle möchte ich mich für die Geduld meiner Mittarbeiter und auch für die des damaligen Besitzers bedanken.
Diese Zeichnungen betrafen die Außenansicht des Instruments und die Mechanik. Durch Feuchtigkeitseinwirkungen und Mäusebefall waren Teile der Konstruktion, Kämpferrasten und der Resonanzboden teilweise gelöst. Hauptsächlich war der Resonanzboden über dem Klaviaturraum und im Diskant gelöst. Entlang der Rückenzarge war, durch einen durchgehenden Riß, der Resonanzboden an dieser Stelle nicht mehr mit der Auflage verbunden. Um das Instrument in seinem Innenaufbau darstellen und einer Erforschung zugänglich machen zu können, wurde beschlossen, den Resonanzboden und den Anhang vom Instrumentenkorpus zu trennen.
Die ersten Versuche, die Anhangstifte, beginnend im Baßbereich, zu lösen, scheiterten. Die Folge waren zwei abgerissene Stifte, die dem Zug nicht standgehalten hatten. Da also war das, vor dem ich Angst hatte, die Gefahr der Zerstörung von Spuren. Mir wurde zugeredet, trotzdem weiterzumachen, ich tat’s. Da die mir bis dahin bekannten Methoden, die Anhangstifte zu lösen, nicht erfolgreich waren, versuchte ich eine Methode, von der ich glaubte, sie sei mir selbst eingefallen. Aber, wie das nun eben so ist, wenn man glaubt,als Einzelner zu handeln, erfuhr ich später, daß diese Methode in anderen Werkstätten schon längst angewandt wird. Ich erwärmte die Stifte mittels eines regulierbaren Heitzstabes auf ca. 160 Grad, der Stab wird dabei ca. 3 Minuten an den Stift gehalten, und konnte nach Erkalten des Stiftes diesen mühelos aus der Anhangleiste ziehen. Vorherige Versuche an vergleichbar starken Nägeln in neuem Buchenholz bestätigten die Annahme, daß das Holz bei dieser Temperatur keine erkennbaren Schädigungen erleidet. Die Anhangleiste wurde mit Wasserdampf, 98%igem Alkohol und Wärme gelöst. Genauso verfuhren wir beim Resonanzboden, der sogar an den Stellen, die vom Wurm sozusagen hinterfressen waren, ohne Schäden abgelöst werden konnte.
Das Innere des Flügels konnte jetzt vermessen werden. Eine Besonderheit war auffällig: Der Resonanzboden entsprach offenbar nicht mehr der originalen Situation. Schon bei den Ablöse-Arbeiten des Anhanges wurden von ihm bis dahin verdeckte Spuren einer gewaltsameren Ablösung desselben sichtbar. Die Zargen waren in der Höhe des Anhanges, offenbar durch ein Herausreißen desselben, durch Absplitterungen verletzt, Absplitterungen, die wir an dem von uns gelösten Anhang nicht wiederfinden konnten. Es wurde jetzt auch deutlich, daß das kleine Resonanzbodenstück, das wir unter dem bereits durch die Feuchtigkeit gelösten Kämpferrasten gefunden hatten, offenbar zu dem ursprünglichen Resonanzboden gehörte. Der Resonanzboden war im Diskant, wie nach dem vollständigen Entfernen erkennbar wurde, nicht mehr an seiner ursprünglichen Auflagefläche befestigt, weil der Kämpferrasten bei diesem älteren Eingriff offenbar nicht abgelöst worden war. Diese nicht mehr zugängliche Auflage wurde damals durch ein Verbindungsstück aus Hartholz (vermutlich Birne) ersetzt.
Dies also ist die Situation, die in der Zeichnung festgehalten wurde.
Da wir die Frage, wann dieser den Flügel offenbar stark verändernde Eingriff stattgefunden hatte, klären wollten, ließen wir Leimreste, die mit Sicherheit von diesem Eingriff stammten, und solche, die aus den vorherigen, ursprünglichen Arbeiten stammten, auf Spurenelemente hin untersuchen. Dies von dem Gedanken ausgehend, daß Tierknochen, aus denen der Leim hergestellt wurde, charakteristische Verunreinigungen aufweisen müßten.
Soweit das zu beurteilen ist, weisen die Ergebnisse auf die gleichen Verunreinigungen hin. Einschränkend muß aber hierzu gesagt werden, selbst wenn wir die gleichen Verunreinigungen nachweisen, ist mangels einer Systematik daraus noch keine gültige Aussage möglich, die beweisen könnte, es mit der gleichen Werkstatt zu tun zu haben. Es gibt, um bei diesem doch relevanten Umstand zu bleiben, dennoch ein paar Indizien, die nachdenklich machen. Es gibt im Inneren des Flügels eine Querverstrebung, deren Lage mit der des Abbundes beim Mozart-Flügel übereinzustimmen scheint. Interessant ist, daß diese Verstrebung eine Nacharbeit aufweist. An der Stelle, an der diese Verstrebung die Längszarge der Rückwand des Instruments berührt, ist eine Leimspur, die eindeutig darauf hinweist, daß diese Verstrebung ursprünglich höher war, und zwar bis zur Höhe der Resonanzbodenauflage der Rückenzarge. Nach dem damaligen Herauslösen des Resonanzbodens wurde diese Verstrebung soweit tiefer gelegt wie sie heute ist. Im Bereich bis hin zum Damm wurde sie mit dem Hobel bearbeitet, da, wo der Hobel zu sehr eingeengt war, wurde der Rest mit dem Stemmeisen entfernt.
Mir erscheint es aufgrund dieser Situation möglich, daß der Flügel einstmals einen Abbund besaß, der später entfernt wurde, und deshalb einen neuen oder zumindest veränderten Resonanzboden bekam.
Die Anhangstifte hinterließen keine zweiten Bohrlöcher in der Resonanzbodenauflage, was technisch nur möglich ist, wenn der alte Anhang wiederverwendet wird. Weil auch der Steg, als von Anfang an zum Instrument gehörig, verstanden werden kann und weil die Mechanik des Instruments so offenbar konservativ ist, erscheint mir in diesem Zusammenhang die Vermutung möglich, daß der Eingriff vom Erbauer selbst vorgenommen wurde. Zumindest könnte der Eingriff in einem eng an die Erbauungszeit anschließenden Zeitraum stattgefunden haben.
Im Nachhinein wird in der klanglichen Integrität des Flügels deutlich, daß dieser Eingriff offenbar von kenntnisreicher Hand vorgenommen wurde. Darauf weist unter anderem auch die handwerklich saubere Ausführung der Berippung hin, deren ungewöhnlicher Verlauf ein Kapitel für sich ist.
Da es hier um die später noch ausführlicher zu behandelnden Arbeiten geht, möchte ich an dieser Stelle vom Korpus weg zur Erläuterung der Mechanik hin schreiten.
Die Mechanik wurde in der Intelligenz ihrer Anlage eigentlich erst bei der Zeichnung zugänglich. Der erste Eindruck weist mit den Holzkapseln auf eine frühe Form der Hammerflügelmechanik hin, zumindest erscheint es unwahrscheinlich, daß nach der Erfindung der Wiener Kapseln jemand diese aufwendige Form der Hammerlagerung benützt. Die Kapseln sind jeweils aus einem Stück und mit zwei Sägeschnitten in einen Zwischenraum für den Hammerstiel und zwei Führungsbäckchen getrennt. Die Lagerung des Hammerstiels erfolgt in Leder, das in einer Nut nach unten abgeschlossen liegt; nach oben werden das Leder und die Hammerachse durch jeweils einen kleinen Holzdübel abgeschlossen. Die Hammerkapsel ist unbeweglich, fest mit dem Tastenende verleimt, eine Reguliermöglichkeit besteht an dieser Stelle nicht.
Der Hammerstiel besitzt unter seiner Achse eine Art bauchige Ausbuchtung, die in den Schnabel mündet. Der Schnabel ist in einer feinen Nut als Brettchen gelagert, hierdurch wird der Schnabel verbreitert. Der Schnabel ist mit Leder überzogen, bleibt aber in seiner Lage verschiebbar. Diese Situation weicht von den beiden als parallel vermuteten Instrumenten, dem Mozart-Flügel in Salzburg und dem Eisenstädter Flügel, ab.
Die Tastatur, insbesondere die Tastenfronten, die Führungbäckchen der Wagbalkenstifte und die Tastenhinterführung in Kanzellen, stimmen vom äußeren Befund her mit dem Mozart-Flügel überein. Bei der Kanzellenführung der Tastenenden stimmen sogar die Bohrungen für die Schnur, die die Tastenrückfalleiste über den Kanzellen fixiert, mit der Mechanik des Mozart-Flügels überein. Das Stichmaß der Oktavbreite und, soweit ermittelbar, die Länge der Tasten stimmen mit den beiden anderen Flügeln weitgehend überein. Abweichend von den beiden anderen Flügeln ist die Situation der Auslösung.
Es handelt sich um eine Mechanik mit beweglicher Auslösung. Ihre Besonderheit liegt darin, daß die Auslöser zum einen mit einer feinen dreieckigen Aussparung versehen sind, über die das Leder der Auslöser gespannt ist, zum anderen besteht eine Besonderheit in den kleinen Haken, die in jeden Auslöser mit einem Uhrmachergewinde eingeschraubt sind. Diese Haken fangen sich in einem Stoffband, das in einem besonderen Absatz der Auslöserschiede gelagert ist. Die Häkchen ermöglichen beim Heraus- oder Hineindrehen durch Veränderung der Auslöserneigung ein bequemes Regulieren der Steighöhe des Hammerkopfes.
Der Bauch des Hammerstiels fällt beim frühzeitigen Loslassen der Taste, wie es beim Spielen schneller Läufe geschieht, auf das darunter liegende Stoffband der Hinterdruckleiste, dieses wirkt somit tatsächlich als Fänger. All dies erschien uns so großartig in der Intelligenz der Anlage, daß mehr als die Vermutung dafür sprach, es hier mit einem enorm kundigen, die auftretenden Probleme großartig beherrschenden Meister zu tun zu haben. Bei all den sonstigen Parallelen erschien es denkbar, daß Anton Walter der Erbauer dieses Flügels war. Zumindest fällt mir kein anderer ein, der, in ähnlicher Zeit wirkend, zu einer derartigen Anlage befähigt scheint.
Soweit jedenfalls die Situation am Beginn der nun zu beschreibenden Arbeiten.
Ich habe bis hierher versucht, Ihnen einen Eindruck dessen zu vermitteln, was mich bei dieser Arbeit bewegt, welche Gedankengänge mich zu einer bestimmten Vorgehensweise veranlassen. Es ist dies zum einen die unbedingte Achtung vor dem, was Geschichte darstellt, zum anderen ist es die Hoffnung, durch konkrete Anschauung, aus unserer eigenen Zeit heraus, in die Unmittelbarkeit des Verstehens einer anderen Zeit vorzudringen.
Das ist viel, und ich glaube nicht, daß dies tatsächlich und immer gelingen kann. Aber ich bin der Meinung, je mehr Annäherung stattfindet, um so mehr ist es möglich, das, was vorangeht, und das, was folgt, etwas besser voneinander trennen zu können.
Weil bei einem so feinfühligen Gegenstand wie einem Musikinstrument alles ineinander durchdrungen ist, erschien es mir das Angebrachteste, den einfachsten Schritt, diesen aber kompromißlos zu tun.
Ohne das Original-Instrument weiter zu berühren, bauten wir es Schritt für Schritt mit den uns erkennbaren Mitteln des Erbauers nach.
Das bedeutete, da, wo wir die Spur des Fausthobels fanden, arbeiteten wir mit dem Fausthobel, da, wo die Spur einer Säge erkennbar war, nahmen wir die Säge, deren Bezahnung der vorgefundenen Spur am nächsten kam, wo wir das Stemmeisen als Mittel der Wahl erkannten, nahmen wir dieses, und so versuchten wir, die Wege, die vor ca. 200 Jahren schon einmal einer ging, zu wiederholen.
Ich hatte nicht den Ehrgeiz, aus einer klanglichen Erwägung heraus alle Teile, auch den Boden, mit der Hand zu sägen und zu behobeln. Es interessierte mich, welche Fertigkeiten der Schöpfer dieses Instrumentes beherrschen mußte, um in einen Grad des freien Schaffens zu kommen, der es ihm erlaubte, neue Ideen in diesem Instrument umzusetzen, ohne beständig an die Grenzen des Machbaren zu stoßen. Diesen Grad der Freiheit im Gestalten eines Klanges, eines technischen Gebildes zu erforschen, habe ich mir auch bei anderen Instrumenten zur Aufgabe einer vielleicht mehr persönlichen Forschung gemacht.
Faszinierend finde ich offengestanden auch das Erlebnis, ein Instrument vom Besäumen der Bretter, über ihr Auf-Stärke-Hobeln, bis hin zum fertigen Instrument mit der Kraft des eigenen Körpers zustande zu bringen. Eben genau so, wie die Handwerker der vergangenen Jahrhunderte es taten, weil sie nicht anders konnten, weil es keine Maschinen gab.
Wie gesagt, es gab aber eines – und das wird erst deutlich, wenn die mühsameren Wege der Handarbeit beschritten werden –, es gab immer schon den Gedanken an die Rationalisierung. Nicht aus Gründen des Zeitgewinns, sondern eben notwendig, aus Gründen der Kraftersparnis.
Wie also werden 61 Hammerstühle so gefertigt, daß daraus nicht eine sich ins Unendliche dehnende Arbeit wird? Wie wird eine gleichbleibende Qualität der Mechanik erreicht, bei all den Unzulänglichkeiten, die auch die perfekteste Arbeit mit sich bringt? Vor allem, und dies wird noch bedeutend, wenn die Arbeit von einer Person ausgeführt wird, der tatsächlich die unterschiedlichsten Anforderungen abverlangt werden.
Zunächst, um damit zu beginnen, waren da die Hammerkapseln. Eigentlich einfach – und doch raffiniert in der Anlage. Daß sie aus einem vorher geformten Block herausgeschnitten sind, ist offensichtlich; daß sie erst nach Fertigstellen der Tasten ausgeschnitten wurden, läßt sich an ihrer unterschiedlichen Stärke ablesen.
Die Hammerkapseln selbst sind, wie bereits erwähnt, aus jeweils einem Stück relativ feinjähriger Fichte, in der Breite in etwa der Taste entsprechend, durch zwei Sägschnitte, mit feiner Zahnung, durchtrennt, so, daß ein U-förmiges Profil entsteht. Das obere Ende der beiden so entstehenden Hammerstielführungbäckchen ist mit einer nach unten abgerundeten Nut versehen, die das als Achslager dienende Leder und die Hammerachse aufnimmt. Nach oben wird das Achslager durch das über die Achse gezogene Leder und durch den erwähnten feinen Dübel geschlossen. Der U-förmige Raum für den Hammerstiel ist nur im Bereich der Achse eng an den Hammer anliegend, demselben also nur wenig Spiel lassend, nach unten ist der Ausschnitt mit dem Stemmeisen so ausgestochen, daß der so zu nennende Hammerbauch freies Spiel hat. Bei der Herstellung der 61 Hammerkapseln fällt auf, daß die Anlage so gewählt ist, daß der Herstellungsprozess gut zu beherrschen und mit ausreichender Genauigkeit durchzuführen ist. Das Herstellen der gesamten Hammerkapseln erforderte, nach dem Erkennen der Methode, nurmehr zwei Tage, eine, wie ich glaube, annehmbare Zeit.
Die Hammerstiele sind in einem ähnlichen Verfahren aus Blöcken geschnitten, die einzelnen Blöcke lassen sich durch eine unterschiedliche Ausprägung der Bauchkurve unterscheiden. Diese Unterschiede betreffen aber nur die Kurve des Hammerbauchs, der Abstand Achsbohrung - Bauchende bleibt bei allen Stielen gleich. Die Hammerstiele sind an ihren Seiten sauber gehobelt und werden zum Hammerkopf hin fast vollkommen rund. Diese Arbeit ist mit erstaunlicher Genauigkeit ausgeführt, weist aber doch die für einen sich derartig oft wiederholenden Arbeitsgang typischen Abweichungen auf. Die Hammerstiele nehmen zwischen Baß und Discant kaum an Stärke ab. Wir haben sie bei der Kopie daher in einer so vermuteten Hobellade auf Stärke gehobelt. Die abgerundeten Enden der Stiele werden zum Discant hin wesentlich dünner, und erweckten in mir den Eindruck, daß sie damit einen Teil der Intonation des Instruments darstellen.
Die Schnäbel der Hammerstiele sind als Plättchen ausgebildet und mit einem sehr fein gearbeiteten Falz in der erwähnten Nut im Hammerstiel gelagert. Die Nut wurde offenbar beim Anfertigen der Blöcke für die Hammerstiele bereits eingesägt. Dieser Sägschnitt ist ein Indiz dafür, daß ungewöhnlich feine Sägen, die meiner Vermutung nach auf Zug arbeiteten, in dieser Werkstatt verwendet wurden. Das in die Nut eingesetzte Plättchen ist aus Ahornholz, während der Hammerstiel aus Birne oder Elsbeere ist. Über die Oberseite des Plättchens ist Leder, mit der glatten Seite nach oben, geleimt, das seinen Halt erst wieder am Hammerstiel findet. Damit bleibt das Plättchen in der Nut beweglich, um es mit dem Auslöser optimal in Übereinstimmung zu bringen.
Das Anfertigen der Hammerstiele nahm, wieder nach dem Erkennen des Weges, in etwa vier Tage in Anspruch, da die Herstellung der sauberen Abrundung des Stieles doch einiger Gewohnheit bedarf.
Die Herstellung der Klaviatur darf ich im wesentlichen als bekannt voraussetzen, weil die heute noch üblichen Verfahren des historischen Instrumentenbaus in Anwendung kamen. Erwähnenswert ist, daß die d-Tasten breiter sind, das Fichtenholz feinjährig, mit stehenden Jahren verarbeitet ist, und die Sägschnitte größtenteils entfernt sind, nur an wenigen Stellen hat die Säge des Erbauers so weit gegriffen, daß der Sägschnitt sichtbar blieb. Die Spuren des Sägschnitts deuten auf den Gebrauch einer sog. Laubsäge, wie sie auch im Schreiner-Buch des Enzyklopädisten Roubeau gezeigt wird.
Im Übrigen ist in diesem Buch auch eine Säge abgebildet, die auf Zug arbeitet und der bei den Hammerstielen angewandten entsprechen könnte.
Eingehen möchte ich noch kurz auf die Tastenführungsbäckchen, die genau so beim Mozart-Flügel vorkommen.
Sie sind aus einer Leiste mit der durchschnittlichen Tastenbreite gefertigt, die in kleine rechteckige Blöckchen aufgeschnitten wurde. Die Sägschnitte am Hirnende sind jeweils versäubert, die Aussparung für den Tastenführungsstift ist mit zwei Sägschnitten und dem Durchstechen mit einem Lochbeitel oder Stemmeisen entsprechender Stärke ausgeführt. Vier Fünftel der hierdurch entstehenden Führung sind mit einem breiten Stemmeisen hinterschnitten, wodurch von hinten gesehen die charakteristische V-Form entsteht. Diese Arbeit, die nur ein Kleinteil betrifft, ist wie die anderen Arbeiten erstaunlich sauber ausgeführt, läßt sich aber nach einiger Übung ebenso im Nachbau erzielen. Die Kanten sind großzügig abgefast. Eine Besonderheit des Klaviaturrahmens gilt es noch zu erwähnen, die mir doch wichtig erscheint. Der Waagbalken, der auf einer Auflage aus Fichte ruht, selbst aber aus Eiche ist, ist an drei Stellen durch einen Sägschnitt unterbrochen, der mit einem leichten Keil ausgefüllt ist. Der Schnitt geht nicht durch den Waagbalken hindurch, sondern trennt lediglich die Holzfasern von ihrem Verbund. Die Folge hiervon ist, daß der Waagbalken sich nicht verwerfen kann. Eine Methode, die zwar als einfache Vorbeugungsmaßnahme zu betrachten ist, deren Verwendung aber doch für einen erfahrenen Handwerker zu sprechen scheint.
In den Klaviaturrahmen eingearbeitet sind die Schiede zur Tastenhinterendenführung. Sie bestehen aus Nußbaum, sind auf den Innenseiten mit Leder belegt und oben mit der erwähnten Tastenhinterdruckleiste abgeschlossen. Da für die Schiede eine Vielzahl präziser Schnitte erforderlich ist, deren Winkel das reibungslose Fallen der Tasten bestimmt, mußte an dieser Stelle vom Erbauer eine Vereinfachung des Verfahrens erdacht werden. Es gilt, möglichst mit einem Schnitt, den vorher festgelegten Winkel der Klaviatur einzuschneiden. Da am besten mit einer Sägeschablone gearbeitet wird, die einfach auf den hinteren Rahmenteil aufgelegt wird, ist es naheliegend, nicht zwei dicht aneinander liegende Schnitte zu machen. Die Holzstärke der Schiede ist bestimmt von ihrem Endmaß, das sie beledert erreichen, der Spielraum ist also nicht sehr groß. Um den Sägschnitt gleichmäßig zu gestalten, ist es vereinfachend, hierfür ein besonders breites Sägeblatt zu verwenden. In Form der lange Zeit schon gebräuchlichen Gratnutsäge, wie sie in vielen Schreinereien auch heute noch üblich ist, steht die richtige Schnittbreite zur Verfügung. Diese Säge erlaubt ein präzises Anschlagen zur Führung. Das Ende des Sägschnitts mit dieser Säge führt zur gleichen Form von Ausrissen, wie sie auch am Originalinstrument an dieser Stelle zu beobachten sind. Mit dieser Säge lassen sich die Schnitte in angemessener Zeit in der erforderlichen Genauigkeit mühelos herstellen. Die Arbeiten an dieser Stelle des Klaviaturrahmens sind lediglich dadurch schweißtreibend, daß jederzeit ein Abreißen der einzelnen Stegteilchen möglich ist, da das Fichtenholz quer zur Faser gesägt wird. Unserem Vorgänger scheint dies nicht passiert zu sein.
Es wird jetzt interessant, auf die Auslösung zu sprechen zu kommen, weil sich hier mit den die Auslöser führenden Schieden ein ähnliches Problem stellt, die Lösung zur Herstellung aber, in sich stimmig, eine andere sein kann. Die Auslöser sind ebenfalls in Kanzellen geführt, die Kanzellenbasis besteht auch aus Fichte und die Kanzellenschiede ebenfalls aus Nußbaum. Die Schiede sind aber bei den Auslösern erheblich breiter, was sie auch sein müssen, damit die Auslöser selber wieder die gleiche Breite haben wie die Tastenenden. Die Schiede müssen daher um das Maß der Lederstärke und die Toleranz des Klaviatursägschnittes breiter sein.
Da es nicht einfach ist, mit einer ebenso breiten Säge wie bei den Tastenschieden zwei Schnitte zu machen, wurde hier wieder eine sehr viel feinere, womöglich die uns schon bekannte feine Zugsäge, verwendet.
Der Winkel, der bei dieser Arbeit für die Schiede erreicht werden muß, ist jetzt wieder einfacher, da es sich um einen rechten Winkel handelt. Die Schnitte können aber nicht mit einer Gehrungssäge ausgeführt werden, da die eingeschobenen Schiede eine, sozusagen kopflastige, L-Form haben. Die Schnitte müssen also noch um ein Eck weitergeführt werden als bei der direkten Aufsicht sichtbar wird. Es ist sinnvoll und führt auch zum gewünschten Erfolg, wenn an dieser Stelle für jeden Schied zweimal geschnitten wird. Mit einem Lochbeitel oder feinen Stemmeisen wird der Raum zwischen den Sägschnitten frei gestoßen und gleichzeitig versäubert. Ergebnis ist eine Arbeit, die sich von der vorhergehenden durch ein sehr sauberes Erscheinungsbild absetzt. Die erreichte Genauigkeit ist aber tatsächlich beim vorher angewendeten Verfahren größer.
Diese Ausführungen zur Verfahrenstechnik sind nur möglich, weil wir bei der Kopie eben jeden Schritt möglichst so zu wiederholen suchten, daß die Spuren unserer Arbeit und die vorgefundenen am Ende übereinstimmten. Es gab eine Reihe von Versuchen, die zwar das gewünschte Ergebnis, nicht aber von selbst die gleichen Arbeitsspuren hervorbrachten. Noch einmal zur Mechanik: Die Auslöser selbst sind auch aus Fichte hergestellt, ihre Herstellung erfolgt auch wieder in Blöcken. Durch eine Reihe typischer Abweichungen ist dies am Original zu beobachten. Die Herstellung der Auslöser birgt eine wesentliche Schwierigkeit durch die dreieckige Aussparung in ihrem hakenförmigen Kopf. Diese Aussparung ist deshalb so herausfordernd, weil die Unterkante nicht verletzt werden darf und quer zur Faser gearbeitet werden muß. Diese Schwierigkeit erscheint mir deshalb wichtig, weil der Aufwand durch ein entsprechendes Ergebnis belohnt werden muß.
Mir war während der Arbeit an diesen Auslösern nicht ganz klar, welcher Nutzen dahinter steht. Das über die Auslöserköpfe gezogene Leder wird über diese Aussparung gespannt, darüber am verbleibenden dickeren Kopfteil und dann an der Unterseite des Kopfes verleimt. Erst in der Funktion wird der Vorteil sichtbar, respektive hörbar, der breite Schnabel gleitet geräuscharm am Auslöserkopf entlang und der Hammerstiel wird am Auslöserleder abgefedert. Zusammen mit der schon erwähnten Betuchung auf der Hinterdruckleiste wird beim Spiel eine ausreichende Rückprallminderung der bewegten Einheit erreicht.
Noch ein par Worte zur Belederung. Die Leder der gesamten Mechanik sind Rind- beziehungsweise Kalbsleder, auch die Hammerkopfleder. Die Verarbeitung des Leders ist einheitlich sauber und scheint mir von der gleichen Hand zu stammen. Das Leder der Auslöserlager ist am Auslöserschaft verleimt, auf beiden Seiten ist es am Ende ausgeschärft. Soweit ich weiß, ist dies nicht immer bei dieser Befestigungsart der Fall. Dieses Ausschärfen des Leders ist bei fast allen Lederarbeiten der Mechanik vorgenommen worden. So ist auch das zweite, unter dem Oberleder befindliche Hammerkopfleder ausgeschärft. Beim Nacharbeiten des Instruments fiel immer wieder diese in jedes Detail gehende Sorgfalt auf, die eben auch beim Ausschärfen des Leders sichtbar wird. Zur Betuchung ist anzumerken, daß wenige Reste derselben vorhanden waren. Diese Reste konnten als Ausgangsbasis dienen, die Betuchung von einem Handweber nachfertigen zu lassen. Wir haben von den verschiedenen Geweben jetzt jeweils acht Meter.
Zur Mechanik gehören auch die Dämpfer. Die gesamte Dämpfung dieses Flügels war verloren, erhalten hat sich nur der mit dem Instrument fester verbundene untere Dämpferführungsrechen.
An mir damals zugänglichen Fotos aus dem Fundus von Herrn Wittmayer (Wolfratshausen) wurde erkennbar, daß der untere Dämpferführungsrechen des Eisenstädter Walterflügels mit dem unseren vollkommen übereinstimmt. Wenn ich hier von „vollkommen“ spreche, dann deshalb, weil die Art der abgeschrägten Aussparungen für die einzelnen Dämpferstiefel und die Technik, mit der das Leder verleimt ist, tatsächlich übereinstimmen. Auf den Fotos schien sogar die Lederart die gleiche zu sein. Jedenfalls ließ sich hierdurch die einstmals vorhandene Dämpfung als sog. Stiefeldämpfung interpretieren, wofür auch Führungsvorrichtungen im Bereich der oberen Dämpferführung sprechen. Vergleichend mit dem Mozart-Flügel ist noch anzumerken, daß unser Flügel an gleicher Stelle wie dieser Bohrungen aufweist, die eine mit Hebeln gesteuerte Dämpferaufhebung gestatten. Die heute vorhandenen Kniehebel sind späteren Datums.
Hier möchte ich meine Ausführungen zur Mechanik abschließen. Die originale Mechanik war zu diesem Zeitpunkt noch unberührt. Die angedeuteten Schlußfolgerungen beziehen sich nur auf das bis dahin am Original Beobachtbare und auf die Erfahrungen, die diese Art von Nacharbeit möglich machte. In etwa erstreckten sich diese Arbeiten über 1 ½ Monate, wenn man die Zeit, die zum Entwickeln der verschieden Methoden notwendig war, abzieht.
Die Arbeit an dieser Mechanik empfand ich als Einübung in die Verfahrenstechnik und das handwerkliche Grunddenken des Erbauers. Der Gedanke beschäftigte mich, was es bedeuten könnte, wenn jemand, wie ich immer noch vermutete, so kurz nach Steins Erfindung der beweglichen Auslöser so eigenständige, so weitreichende Lösungen der auftretenden Probleme finden konnte. Am stärksten beeindruckte mich diese Idee der Steighöhenregulierung. Es wurde jetzt interessant, ob die Souveränität des bisherigen handwerklichen Niveaus und der Verfahrenstechnik auch am Korpus zu beobachten war.
Es ist eine Folgerichtigkeit in der Anlage des Flügels, die bei den Stimmstockauflagen aus Buchen-, also Hartholz ebenso begegnet wie in der Anlage des konischen Querschnitts der fichtenen Kurvenraste.
Diese Kurvenraste gab mir besonders zu denken, ihre Herstellung, so mußte ich erfahren, setzt unglaublich viel Fertigkeiten im Umgang mit der Fügbank voraus. Es ist nicht einfach, diese aus vier Teilen schichtverleimte Auflage in der erforderlichen Kurve so zu behobeln, daß nicht ein Stärkeabfall beim „Über-die-Kurve-Ziehen“ des Hobels auftritt. Beim Vorbild wurde jedenfalls die Parallelität der Holzstärke eingehalten und die vier Leimfugen sind hervorragend paßgenau. Ich jedenfalls empfand diese Arbeit, trotz der bereits gefertigten Mechanik, als eine der schwierigsten. Die Leimkante für die Kurvenzarge ist exakt im rechten Winkel gehobelt, die Innenseite ist, offenbar ebenfalls mit dem Schiffshobel, sauber bearbeitet. Nur da, wo die Holzbreite durch das Besäumen der Bretter nicht ausreichte, blieben im Innenraum Spuren der Rinde erhalten. Erwähnt sei, daß dem verwendeten Werkzeug die Äste keine Probleme bereiteten, davor und danach ist der Hobelschnitt gleich sauber.
Erhebliches Geschick war beim Einpassen der Verstrebungen erforderlich, im Original sind diese ohne Fehler kraftschlüssig in den abgeschrägten Rasten eingelassen. Wenn die Lage und die Paßgenauigkeit des Vorbildes bei der Kopie angestrebt wird, bleibt kein Spielraum. Die Schwierigkeit bestand darin, daß ein hilfreiches Anreißen der auszustemmenden Vertiefung wegen der Schräg- und Kurvensituation kaum möglich ist. Gerade hier wurde für mich nochmals deutlich, daß auch diese Anlage nur möglich ist, wenn ein stimmiges Gesamtkonzept bzw. eine sehr bestimmte klangliche – oder eine die Statik betreffende – Idee hinter der Gesamtanlage steht. Zum Damm, der Resonanzbodenauflage über der Klaviatur und weiteren Details sei hier nur soviel gesagt, daß es sich auch hierbei um hervorragend saubere Arbeiten mit guter Kraftschlüssigkeit handelt, deren Nacharbeiten keine besonderen Problemstellungen erkennen ließ. Der Stimmstock ist aus einem Stück Eiche, der Kämpfer ebenso, wobei beim noch zu behandelnden Ablösen des Kämpfers erstaunlich war, daß seine Auflageseite zum Stimmstock mit einer 1 cm dicken Fichtenholzschicht unterfüttert ist. Der Stimmstock, der Kämpfer, die Klaviaturbacken und die Abschrägungen sind mit Kirsche furniert, der Discantzwickel, die Kurvenzarge und der Baßzwickel sind aus massiver Kirsche. Die Rückwand ist aus Fichte und nur im Innenbereich mit Kirsche furniert, auf der Kante bleibt die Fichte sichtbar.
Die Zargen sind stumpf auf die Innenaufbauten geleimt, eine Verbindung mit Holznägeln ist nur an der Rückwand zum Stimmstock erfolgt. Der Diskantzwickel und die Kurvenzarge sind durch V-förmige Aussparungen gegen ein Verwerfen gesichert, Baßzwickel und Kurvenzarge sind innen zusätzlich verleimt, Baßzwickel und Rückwand sind durch halbverdeckte Zinken verbunden. Der Deckel ist massiv aus Kirsche, in drei Teile geteilt, die einzelnen Späne sind mit Federn und Leimfugen verbunden und mit Hirnfedern gegen Verwerfen gesichert. Die Beschläge sind aus Messing und stimmen in ihrer Frontausführung mit denen des Mozart-Flügels überein.
An einem bestimmten Punkt dieser rekonstruierenden, nachahmenden, Tätigkeiten konnte die Situation des Originals neu beurteilt werden. Wie anfangs etwas salopp gesagt gab es ja dieses Bestreben, nichts falsch zu machen. Eigentlich war ich anfangs der Meinung, die Restaurierung des Originals sei eine für mich zu große Aufgabe. Diese Situation änderte sich im Verlauf der Rekonstruktion. Ich hatte gelernt, letztlich konnte ich das Gefühl haben, beim Vorbild selbst gelernt zu haben. Einiges hatte ich nun in seiner Folgerichtigkeit verstanden, die Zusammenhänge der Konstruktion schienen mir beurteilbar. Der eingehende Blick auf die tatsächlich vorhandenen Schäden, immer jetzt im Vergleich mit den gleichen Bedingungen der Kopie, führte am Schluß dazu, die Schäden als nicht substantiell zu beurteilen. Die Rasten, der Stimmstock, der Unterboden und die Mechanik hatten zwar Mißachtungen, hauptsächlich durch Mäuse und Feuchtigkeit erlitten, die Leimfugen und die Festigkeit des Holzes hatten aber kaum Beeinträchtigungen erfahren. Welche Schäden hatten wir also tatsächlich?
Es folgt eine Zusammenfassung der Befundsituation:
Der Stimmstock hatte sich auf beiden Seiten von seinen Auflagern gelöst, links im Baßbereich mehr als im Discant. Die Furniere des Stimmstocks auf der Wirbelseite waren stark verwellt, bis auf vier waren alle Wirbel zwar verrostet, aber vorhanden.
Im Baßbereich des Stimmstocks waren unter dem Furnier Risse zu erkennen, die teilweise auf der Unterseite wieder sichtbar wurden. Die Buchenauflager des Stimmstocks hatten sich etwas von ihrer Fichtenauflage gelöst. Der Damm war vom Unterboden gelöst, der Unterboden wies im Diskant einen durchgehenden Riß auf. Der Resonanzraum war eigentlich mit seiner gesamten Rastensituation nur verschmutzt, die Holzverbindungen konnten ihre technische Funktion, den Saitenzug aufzufangen, trotz offener Verbindungen erfüllen. Hierbei ging ich davon aus, daß die Verbindungen an den belasteten Stellen sich bei Saitenzug ganz von selbst wieder schließen werden. Das Äußere des Flügels war stärker geschädigt. Die Discantzarge war stark verworfen und hatte einen beginnenden Längsriß.
Der Kämpferrasten der Diskantseite war durch die gleiche Feuchtigkeitsbelastung vollständig gelöst (was ja an sich für die weiteren Arbeiten nicht nachteilig war). Überhaupt waren alle Leimverbindungen, die hier von herabfließendem Wasser betroffen waren, gelöst, so der Resonanzboden über dem Klaviaturraum, und offenbar hatte abfließendes Wasser auch den Riß entlang der Längszarge verursacht.
Der Resonanzboden war stark verschmutzt, ein großer dunkler Fleck scheint durch jahrelanges Einwirken von Mäuse-Urin verursacht worden zu sein. Überhaupt hatten die Mäuse den Klaviaturraum und den Innenraum des Flügels etwa zu einem Drittel mit Nestern gefüllt, diese bestanden aus Stroh, Papierresten und sonstigem nicht näher zu definierendem Unrat. Die Papierreste waren gründlich zerkleinert, ließen aber doch den Schluß zu, aus alten Zeitungen zu bestehen (Fraktur-Schrift).. Die Mäuse hatten den Innenraum des Flügels über das Dammloch betreten und verlassen, die Spuren ihrer Pfoten sind heute noch sichtbar. Einige Male wurde von ihnen versucht, den Resonanzboden und die Berippung anzunagen, Schäden an den Rippen zeigen dies. Im Innenraum wurden zwei vollständig erhaltene Mäuseskelette gefunden.
Durch einen anderen Eingriff wurde der Resonanzboden ebenfalls verletzt. Drei durch den Resonanz- und den Unterboden gebohrte Metallstifte sollten den aufgeworfenen Resonanzboden offenbar wieder unter die Saiten drücken. Die Metallstifte waren im Unterboden durch Umbiegen der Enden drehbar verankert, der in den Resonanzboden ragende Teil war mit Gewinden versehen, die Brettchen nach unten drücken sollten. Die Konstruktion konnte aber ihre Funktion wohl nicht voll erfüllen, weil die Stifte zusammen mit den Brettchen die Höhe des Stegs überschritten.
Es scheint sich hier um einen nicht weiter verfolgten Restaurierungsversuch zu handeln, möglicherweise bevor das Instrument in den Speicher wanderte. Die Stifte jedenfalls waren sehr verrostet. Vielleicht gehört in diesen Zeitraum auch das wenig sorgfältige Anbringen der Kniehebel. Die Wirbel, um sie auch noch zu erwähnen, waren stark verrostet und hatten zu ca. 80% noch Saitenreste, die knapp an den Wirbeln vielleicht abgeschnitten waren. Die Untersuchungen mit dem Atomabsorptionsspektrometer ergaben verschiedene Beimengungen im Metall, was sozusagen eine legierungsartige Situation nahelegt. Die Interpretation dieser Ergebnisse ist schwierig, weil mir bisher zu wenig vergleichbare Studien vorliegen.
Nach Ansicht der befragten Metallurgen scheint aber folgende Interpretation möglich: Sollte es sich um originales Saitenmaterial handeln, lassen sich die Beimengungen als typische Verunreinigungen eines bestimmten Erzvorkommens verstehen. Dies würde bedeuten, daß bei der im 18. Jahrhundert noch üblichen Verhüttungstechnik die Temperaturen nicht ausreichten, um reines Metall zu erschmelzen.
Die Folge wäre ein Arbeiten mit Saitenmaterial, das zumindest für uns heutige nur schwer in seinen klanglichen Wirkungen einzuschätzen ist. Denkbar ist aber, daß die Handwerker bei der Metallverarbeitung sehr wohl Kriterien zur Beurteilung hatten. Dies nur kurz, weil wir, wie erwähnt, mit dieser Arbeit als erster begannen. Genauere Informationen entnehmen Sie bitte dem in Kürze zugänglichen Restaurierungsbericht. Die Restaurierungsarbeiten am Flügel begannen letztlich schon mit der geschilderten Ablösung des Resonanzbodens. Durch die Verwellung und Teilablösung der Stimmstockfurniere war die Befestigungstechnik des Stimmstocks zugänglich. Die Rekonstruktion dieser Situation bei der Kopie erlaubte, das Ablösen des Stimmstocks als minder schweren Eingriff zu verstehen.
Die den Stimmstock umgebenden Furniere wurden mit der geschilderten Methode (Wasserdampf, Alkohol, Wärme) abgelöst, bis die Holznägel zugänglich waren, die den Stimmstock fixierten. Auf der Baßseite wurde der Kämpferrasten gelöst, die Holznägel wurden aufgebohrt und damit so geschwächt, daß der Stimmstock ohne weitere Schäden gelöst werden konnte.
Es galt, die Risse im Bereich der Baßwirbel zu sanieren. Da die Risse nur teilweise durch den Stimmstock hindurch gingen, entschloß ich mich, nur an der gefährdeten Stelle den Stimmstock mit einer bündig versenkten Gratleiste zu festigen.
Mit der Gratnutsäge wurde eingeschnitten und mit dem Grundhobel der Spanabhub vorgenommen. Diese Methode hatte den Vorteil, daß das Arbeitsergebnis kalkulierbar blieb, was mir beim Verwenden einer Oberfräse nicht möglich gewesen wäre.
Die Gratleiste wurde auf ein Drittel der Holzstärke eingelassen und die Wirbellöcher in sie in der alten Lage neu eingebohrt.
Die Unterseite des Stimmstocks wurde gegen einen, eventuell über die Kante der Gratleiste erfolgenden Druck, durch drei eingesetzte Zinken gesichert.
Eine reine Vorsichtsmaßnahme, die mir notwendig schien, um ein weiteres Fortschreiten der Risse zu verhindern. Die Furniere des Wirbelbereichs wurden geglättet und, soweit noch vorhanden, wieder aufgeleimt. Bei dieser Arbeit, wie auch bei den folgenden, stand im Vordergrund, Spuren zu belassen; Ergänzungen wurden hier nicht vorgenommen. Am Korpus des Flügels war dies der wesentliche Eingriff, der Stimmstock wurde mit seiner Auflage wieder verleimt, die Holznägel wurden vorbildgetreu rekonstruiert und der Stock damit wieder befestigt.
Der Resonanzboden wurde zum nächsten Ziel meiner Arbeit. Ein langer Riß an der Rückwand wurde schon erwähnt, weitere Risse waren im Discant und Schäden waren unter der Anhängung durch Wurmfraß.
Die Wurmfraßstellen wurden mit dem Grundhobel vorsichtig abgehoben, so daß eine breite Nut entstand, die etwa 0,4 mm Originalsubstanz auf der Oberseite des Resonanzbodens erhielt. Die Nut wurde mit Fichtenholz einer ähnlichen Maserung ausgefüllt und mit Hautleim verleimt. Die Risse im Diskant und ebenso der Riß an der Rückwand ließen ein stumpfes Verleimen nicht zu (Fehlstellen, Mäusespuren). Um die Fehlstellen und den unregelmäßigen Abriß ergänzen zu können, entschloß ich mich, jeweils eine Seite anzuschäften, einen an die Schäftung angepaßten Span anzuleimen, die Gegenseite zu säubern, eine Leimfuge anzubringen und alles, dann wieder konservativ, miteinander zu verleimen. Ziel war, die Festigkeit der Späne wiederherzustellen und eine ungebrochene Klangübertragung möglich zu machen. Die Ergänzungen wurden ausschließlich mit Fichtenholz der gleichen Art und möglichst ähnlicher Maserung vorgenommen. Natürlich, um dies noch anzumerken, konnten diese Arbeiten erst begonnen werden, nachdem der Resonanzboden gereinigt, die Rippen und der Steg abgelöst war.
Die Berippung.
Die Berippung ist ein Kapitel für sich, dessen Interpretation noch aussteht. Nur kurz eine Darstellung des Vorgefundenen. Die Rippen sind sehr sorgfältig gearbeitet, unter dem Steg ausgespart und aus Fichte.
Auf den Resonanzbodenauflagen sind Aussparungen sichtbar, die einen anderen Verlauf der Berippung darstellen. Dies und die Spuren dessen, was ich als Abbund interpretiere, weisen auf einen erheblichen Eingriff hin. Nimmt man dazu noch die Spuren der Kämpferrasten mit darunterliegenden Resonanzbodenresten und die an dieser Stelle nachgefertigten Resonanzbodenauflagen so wird die Veränderung am Resonanzboden deutlich.
Die Untersuchung der Leimreste ergab zwar eine praktisch gleichartige Verunreinigung derselben, was den Schluß, es mit der gleichen Werkstatt zu tun zu haben, zumindest nicht widerlegt, aber wann der Eingriff stattfand, ist damit nicht mit Sicherheit zu klären.
Meine persönliche Interpretation stützt sich nur auf den Duktus, den die Arbeitsmethode darstellt. Demnach neige ich zur Auffassung: Der Abbund wurde in der Erbauerwerkstatt entfernt, um an diesem Flügel die Wirkung des frei schwingenden Resonanzbodens zu untersuchen. Dies könnte bedeuten, der Flügel bildete eine Art Prototyp für Versuche mit der Mechanik und den Klangeigenschaften unterschiedlicher Resonanzbodentypen.
Es kann natürlich auch sein, daß der Versuch, den Flügel mit Kniehebeln zu modernisieren, und der veränderte Resonanzboden zusammen hängen. Dagegen spricht für mich nur die unterschiedliche Qualität der Arbeiten am Resonanzboden und an den Kniehebeln. Erstaunlich ist dann, daß die Mechanik nicht berührt, die Anhängeleiste wieder verwendet und der Steg, der einen sehr frühen Eindruck macht, ebenfalls wiederverwendet wurde. Obwohl ich hiermit in das Spekulative komme, wollte ich es doch anmerken.
Zurück zur Berippung: Diese war durch Nagespuren geschädigt, hauptsächlich waren die Enden der Rippen teilweise angefressen. Diese Enden wurden durch Anschäftungen ergänzt. Bruchstellen wurden ebenso in ihrer Festigkeit wieder hergestellt. Die Rippen wurden in der ursprünglichen Lage wieder verleimt.
Der Resonanzbodensteg war durch kaum sichtbaren Wurmfraß innen geschädigt, die Wurmfraßstellen wurden vorsichtig abgehoben und die hergestellte Nut mit gleichartigem Buchenholz unterfüttert. Auch der Resonanzbodensteg konnte in seiner ursprünglichen Lage verleimt werden. Weitere ergänzende Arbeiten wurden nicht vorgenommen. Durch den Nachbau des Flügels war es möglich, die Originalsubstanz so zu interpretieren, daß sie ohne weitere Festigungen dem Saitenzug standhalten könnte. Die Anhangleiste wurde wiederverwendet, ebenso die originalen Anhangstifte. Die Stegstifte sind beim Resonanzboden- und Stimmstocksteg die originalen. Das Äußere des Flügels wurde nicht bearbeitet, Fehlstellen, Öffnungen und sonstige nicht die Statik betreffenden Schäden wurden nicht beseitigt, lediglich die kurze Diskantzarge wurde wieder in ihrer ursprünglichen Lage verleimt, der angedeutete Riß wurde jetzt vollständig sichtbar.
Die Restaurierung des Flügels ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen. Es fehlt noch der Instrumentendeckel, und durch den Saitenzug ließ sich erkennen, daß der Resonanzboden im Diskant, an der Stelle der nachträglichen Auflage, dem Saitendruck erst nach Unterlegen eines Pergamentstreifens gewachsen sein dürfte. Die Rekonstruktion der Arbeitsmethoden, die Rekonstruktion des gesamten Flügels war für mich die Voraussetzung, die Restaurierung des Originals überhaupt in Angriff zu nehmen. Es sei noch einmal daran erinnert, daß das ursprüngliche Ziel das Erhalten der geschichtlich gewachsenen Situation war, nun erlaubte es die Nacharbeit, den guten Erhaltungszustand der Substanz zu erkennen. Genauere Angaben über die Besaitung, den Verlauf der Arbeiten und die vertiefenden Interpretationen der Arbeitsspuren bitte ich dem in Kürze fertiggestellten umfangreichen Restaurierungsbericht zu entnehmen. Nachdem der Flügel mit der kopierten Mechanik wieder spielbar wurde, sein Klang das erste Mal wieder Aussagen erlaubte, seine Spielbarkeit sogar Anlaß wurde, Interpretationshinweise in ihr zu vermuten, bewegten mich verschiedene Gedanken. Den treffendsten Ausdruck fand ich in einem Aufsatz Rudolf Steglichs, aus zugegeben fragwürdiger Zeit, aus dem Mozart-Jahrbuch 1941 über Mozarts Walter-Flügel: „er war nicht ein beliebiges Instrument unter vielen. Er war ein Gipfel. Werkzeug der idealen Verwirklichung eines Klangwesens, in dem sich Natur und Kultur, Ursprünglich-Elementares und Persönlich-Durchgeistigtes einzigartig harmonisch verbinden, Werkzeug des Klangwesens jener Klassik, deren musikalischer Hauptertrag, nächstverwandt der Dichtung Goethes, Mozarts Musik war“.
Ich werde das Gefühl nicht los, diese Gedanken treffen auch auf unseren Flügel zu.
Helmut Balk,
Greifenberg am Ammersee,
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