HW und P Caspar Schippel 1711, RP: Nikolaus Seeber 1721.
Erhaltungszustand: 14 Originalregister ganz oder teilweise erhalten. Bereits 1737 offenbar nicht verwendbar, Reparaturen 1773, tiefergehende Umbauten 1827/8 und 1856; Restaurierung durch die Fa. Schuke 1994-1994
In der Kirche des kleinen südthüringischen Ortes Bedheim findet sich eine weltweit einzigartige Orgelanlage. Dabei ist das Rückpositiv der traditionell auf der Westempore stehenden Hauptorgel nicht in der Emporenbrüstung, sondern weit entfernt an der gegenüberliegenden Stirnseite des Kirchenschiffes über dem Altar angebracht.
Die Kirche wurde 1696-1699 errichtet. 1711 baute Caspar Schippel auf der Empore eine kleine Orgel. Im Auftrag des Schlossherrn Johann Philipp von Heßberg erweiterte Nikolaus Seeber 1721 das Instrument um ein zweites Manualwerk, das er in Gestalt einer Schwalbennestorgel anbrachte. Reparaturen erfolgten 1737, 1773 und 1816. 1827/28 führte Michael Schmidt aus Schmiedefeld am Rennsteig grundlegende Veränderungen durch. Dabei formte er die Schwalbennestorgel zu einem Fernwerk romantischer Prägung um. 1934 versuchte Pfarrer Gerhard Müller das offenbar inzwischen verstummte Instrument wieder zum Klingen zu bringen, allerdings ohne dauerhaften Erfolg. Nach dem zweiten Weltkrieg plünderten Jugendliche die technische Anlage, weil sie die hölzernen Abstrakten für ideales Material zum Drachenbau hielten. 1956/1957 setzten die Orgelbauer Gerhard Kirchner aus Weimar und Gustav Kühn aus Schleusingen die Orgel nach damaligen Möglichkeiten instand. Die Restaurierung des Kirchenraums führte auch zu einer Freilegung der originalen Fassung der Schwalbennestorgel. 1976 baute Hans Helfenbein aus Gotha in die Hauptorgel mit Posaune 16’ und Trompete 8’ zwei neue Register ein.
Von 1996 bis 1996 konnte eine durchgehende Restaurierung der Orgel erfolgen. Nach den Ergebnissen einer Voruntersuchung stellte die Firma Alexander Schuke aus Potsdam unter der Beratung von Hartmut Haupt (Jena) die originale Anlage von 1721 wieder her. 14 Register sind entweder komplett oder wenigstens in einzelnen Pfeifen original erhalten geblieben, vier Register wurden nach Vergleichen mit der Seeber-Orgel in Haina und der Schippel-Orgel in Pfersdorf rekonstruiert.
Eine wichtige Quelle zur Bewertung der Orgelkonstruktion in Bedheim stellen die Beyträge zur Erläuterung der Hochfürstlichen Sachsen=Hildburghäusischen Kirche=Schul= und Landes=Historie dar, die Johann Werner Krauß 1752 verfasste. Im zweiten Teil des Werkes heisst es auf S. 480-481:
„Diese Kirche hat in dem ganzen Fürstenthum das zuvor, daß in derselben zwo gangbare Orgeln anzutreffen sind, die von einem Organisten gespielt werden. Die eine Orgel stehet auf dem Sing=Chor, bestehet aus 11 Registern und 3 Zügen, und ist 1711 von Caspar Schippeln dem damals Sachsen= Hildburghäuser privilegierten Orgelmacher aufgesetzt worden. Die andere Orgel hängt an den Schwibbogen der Kirche, welche der Hochwohlgeborene Herr Johann Phillip von Heßberg, auf Bedheim, dermaliger Kirchen= Patron von anno 1710 an zu Bedheim, in die Kirche gestifftet, und dem Sachsen-Römhildischen Hof= und Stadt=Organisten und Orgelmacher 1720 für 104 Rthlr. ohne Bretter, Eisen, Zimmermanns= und Bildhauer= Arbeit veraccordiret. Darauf ist sie 1721 mit 3 Thürmen und 2 Feldern aufgesetzt worden. Sie bestehet aus 7 Registern, die Abstrakten gehen über den Kirchboden, und das Manual steht unter dem Manual der Orgel auf dem Sing=Chor, an welchen auch die Züge von den Registern stehen.“
J.S. Bach : Ich ruf zu dir, Herr Jesu Christ (aus dem Orgelbüchlein) BWV 639
Gespielt von Hartmut Haupt
II/P, 18
C, D-c3 ; Pedal C, D-c1
II. Manual (HW)
Gedackt 8'
Viola da Gamba 8'
Quintatöna 8'
Principal 4'
Kleingedackt 4'
Octav 2'
Sesquialtera 2f
Mixtur 3f
I. Manual (RP)
Gedackt 8'
Großprincipal 4'
Hohlflöten 4'
Principal 2'
Quinta 1 1/2'
Cymbel 2f
Hautbois 8'
P:
Violon 16'
Subbaß 16'
Principalbaß 8'
Zymbelstern
Tremulant
Pedaltrennung
Manualschiebekoppel
Transponierkoppel oberes
Manual
Tonhöhe: 2 HT über
a=440 Hz
Stimmung nach Bach-Kellner
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